new filmkritik


Mittwoch, Februar 28, 2007
Männerphantasien

"So ein Oscar", staunt Florian Henckel von Donnersmarck, "das ist schon etwas Phallisches". Er wiegt die glänzende Goldstatuette in der Hand, befühlt sie, hebt sie hoch, kann den Blick kaum von ihr wenden. "Die symbolisiert Manneskraft." Und dann lässt er sie tatsächlich rumgehen, damit sie jeder mal anfassen kann. "Ganz schön schwer, was?"

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"Da mit meiner Frau zu sitzen, die mir immer die Stange gehalten hat."

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"Wir sind Weltmeister!", ruft er, seinen Oscar in die Luft schwenkend.

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"Sechs Jahre lang war ich im Kampfmodus", beschreibt er heiser seinen Weg hierher und drückt seine schwangere Frau Christiane dabei fest an sich. "Jetzt, glaube ich, kann ich erst mal aufhören, zu kämpfen."

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"Es ist etwas ganz Besonderes, einen Oscar für sein Land zu gewinnen. In Friedenszeiten schaffen das sonst wahrscheinlich nur Sportler - oder der Papst. Deutschland liegt auf Weltniveau. Und das haben wir auch mit diesem Oscar bewiesen."

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"Mir kam es so vor, als ob mein Leben da erst echt geworden wäre", versucht er die Gefühle jener Minuten zu beschreiben.

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Trotz seiner ungezwungenen Art ist das alte schlesische Adelsgeschlecht nicht zu übersehen, von dem er abstammt. Als er von der wohltätigen Stiftung seiner Familie spricht, schwingt Stolz in der Stimme mit.

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Jetzt wird Florian Maria Georg Christian Henckel von Donnersmarck selbst das Leben eines Anderen führen.



Montag, Februar 26, 2007
Preisverleihung

"Der 2,06 Meter große Sohn eines Lufthansa-Managers, der aus einer alten Adelsfamilie stammt, wuchs in New York, Berlin, Frankfurt und Brüssel auf. In Leningrad erwarb er die Lehrbefähigung für die russische Sprache." (FAZ)

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Aber zu etwas Wichtigerem: Pascale Ferrans Film "Lady Chatterley", der zu den drei bis fünf schönsten Filmen gehört, die ich auf der Berlinale gesehen habe, hat 5 Césars gewonnen: Marina Hands für ihr Schauspiel, Marie-Claude Altot für die Kostüme, Julien Hirsch für die Kameraarbeit, Pascale Ferran, Roger Bohbot und Pierre Trividic für die Adaption, außerdem Ferran für den besten Film. Man muss von solchen Preisen nichts halten (obwohl ich mich vor Jahren bei "L'esquive" auch drüber gefreut habe); entscheidend ist aber wohl, dass Ferran, die vorher große Schwierigkeiten hatte, ihre wenigen Filme zu finanzieren, jetzt weitermachen können wird. Im Gespräch in den November-Cahiers sagte sie, nach den nächsten Projekten gefragt: "Die Produktionsverhältnisse in Frankreich sind so, dass ich ich zum ersten Mal das Gefühl habe, dass es ganz davon abhängt, wie der Film ankommt. Könnte ich von einem Film auf DV träumen, mit dem großen Luxus, den eine extreme Armut erlaubt? Oder darf ich mir etwas vorstellen, das etwas teurer ist?"



Samstag, Februar 24, 2007
Because of wayward activity: Many things









– ... and it's because of wayward activity, activity based upon unproductive thinking, Bob meets Mr Redman.
– It's a good title.

[...]

– Where's the setting? Are they indoors or out?
– Aaah, they might be in a room——
– Yaahh———

[...]

– ... and this one looks built up too—
– Ja, there's different things in there
– Ja——
– It's real money in it——
– Oh, interesting!
– "Bob burns tree"
– Is there anything embedded in that one?
– Many things.
– Ahhhh——

David Lynch talks to Kristine McKenna, eCahiers



Freitag, Februar 23, 2007
Langtexthinweis

* Daniel Eschkötter: Berlinale 2007 - Nachträgliche Notizen



Fernsehhinweis

Eine Stadt wird erpresst (Dominik Graf, Deutschland 2006)
Heute, 20:40, arte



Dienstag, Februar 20, 2007
Kino-Hinweis

Übermorgen beginnt im Zeughaus-Kino eine Filmreihe mit dem Titel "Kunst des Dokuments - Institutionen".

Zum Auftakt am 22.2. (20.00 Uhr) Raymond Depardons Film SAN CLEMENTE (F 1982) über eine psychiatrische Klinik, außerdem im weiteren Verlauf Filme von Frederick Wiseman (BASIC TRAINING; USA 1971), Thomas Heise (DAS HAUS; DDR 1984 und VOLKSPOLIZEI; DDR 1985/D 2001), Basil Wright (CHILDREN AT SCHOOL; GB 1937, NIGHT MAIL; GB 1936), William Coldstream (FAIRY ON THE PHONE; GB 1936) und Cristóbal Vicente (ARCANA; CL 2005).



Sonntag, Februar 18, 2007
Auflistung der 119 Texte, die Uwe Nettelbeck zwischen März 1963 und Mai/Juni 1973 in der Zeitschrift Filmkritik veröffentlicht hat



[Aus: Filmkritik. Register der Jahrgänge 1957-1974, München: Verlag der Filmkritiker Kooperative 1975. Das Register erstellte Franz-Josef Knape. Abkürzungen: K = Kritik; KK = Kurzkritik]



Donnerstag, Februar 15, 2007
Berlinale 07 (IX)

Vor YELLA (Petzold, 2007) in der Urania eine große Menschentraube. Mit anderen, denen ebenfalls blaue Prekariatsplaketten um den Hals baumeln, postieren wir uns am rechten Eingang zum geräumigen Humboldtsaal; mal kucken, ob nach den Kartenbesitzern noch was geht. Gegen das Drücken und die beunruhigten Nachfragen einiger beflissen Einlasswilliger äußert die überforderte Türhüterin die schöne Drohung, sie werde uns "gleich alle nach Hause schicken". Dieser rührend hilflosen Aufforderung leisten wir gern Folge und radeln beschwingt zurück nach Kreuzberg.



Mittwoch, Februar 14, 2007
Berlinale 07 (VIII)

WOLFSBERGEN.
(Leopold, 2007)

15.02. 10:00 CineStar 8 (engl. UT)
16.02. 20:00 Cubix 9 (engl. UT)
17.02. 15:00 Arsenal 1 (engl. UT)

Judge for yourself.



Dienstag, Februar 13, 2007
Berlinale 07 (VII)

Nach ihrem Film DEUX FOIS, gedreht im September 1968, erzählt Jackie Raynal noch einmal die Geschichte der Öl-Erbin Silvina Boissonas, durch deren Finanzierung die Filme der Zanzibar-Gruppe (wahrscheinlich die einzige Underground-Filmbewegung, die durchweg auf 35mm drehen konnte) möglich wurden. Boissonas, das hatte Patrick Deval vor einer Weile nach seinem Film ACEPHALE gesagt, saß immer Samstags im Restaurant La coupole am Boulevard Montparnasse. Man ging dann dort vorbei, schilderte ihr die Idee für einen Film, und wenn es ihr gefiel, schrieb sie einen Scheck aus. Jetzt, beim Sprechen über Boissonas, sucht Raynal nach einem Vergleichspunkt und sagt, das sei ungefähr so wie, na, sag schon - sie sucht nach einem Namen oder Begriff, der ihr zunächst nicht einfällt. Es entsteht eine kleine Pause, und für einen Moment lang ist es unentschieden, ob sie die Namen von Marie-Laure und Charles de Noailles sucht oder gleich mit starkem französischem Akzent sagen wird: Bundeskulturstiftung.



Berlinale 07 (VI)

Auf der Berlinale läuft TOUT REFLEURIT (Gerbault, 2006), ein Film über Pedro Costas Arbeit an JUVENTUDE EM MARCHA.

Costas Film wird heute abend auf arte ausgestrahlt:

JUGEND VORAN!
13.2.2007
22.45 Uhr
arte



Montag, Februar 12, 2007
Berlinale 07 (V)

Was mir außer THE PATSY (Vidor, 1928) gestern gefiel: Wie wir abends auf den überfrorenen Straßen zu der angenehmen Party eines Filmmagazins radelten, das sich den Spruch "Kino muss gefährlich sein" auf die Fahnen geschrieben hat. Der Satz war mir immer nebulös geblieben, angesichts der spiegelglatten Fahrbahnoberfläche konnte ich mir zum ersten Mal etwas darunter vorstellen.



Sonntag, Februar 11, 2007
Berlinale 07 (IV)

Nachmittags wurden wir auf dem PRATER (Ottinger, 2007) durchgeschüttelt, in der Geisterbahn erschreckt, mit der Schleudersitz-Kapsel in den Himmel geschossen und ins Wiener Wildwasser getaucht, abends dann, in IT (Badger, 1927), gehen Clara Bow und der von ihr geköderte Warenhausbesitzer, in dessen Kurzwarenabteilung sie hinter dem Tresen steht, an den Strand, was hier soviel heißt wie: nach Coney Island auf den Rummel, in dessen Maschinenpark es mir besonders ein zentrifugal organisiertes Gerät angetan hat, aus einer großen Holzplatte bestehend, auf der die Abenteuerlustigen Platz nehmen und durch die akzelerierende Rotation langsam aber sicher an den Rand geschoben werden, um schließlich unter großen Johlen von der Scheibe herunterzufallen; wie oft in dem Film überträgt sich der Spaß ganz unmittelbar auf das Publikum, wozu sicher auch beiträgt, dass das Gerät den wunderbaren Namen "Social Mixer" hat.



Berlinale 07 (3)

* ... lesen Sie bitte auch: Solange es Menschen gibt



Samstag, Februar 10, 2007
Reklame



VOLKER PANTENBURG: Screen Tests: 100-Worte-Texte zum Kino, Koeln 2007. 13,8 x 20,4 cm. 36 Seiten, brosch., Preis 5,-- Euro inkl. Versand (im Ausland 4,15 Euro + Porto). Der Versand erfolgt ohne Vorkasse mit Rechnung.
*

"Der Entschluss, über einen Film exakt 100 Worte zu schreiben ist ebenso sinnvoll oder sinnlos wie der, einen Roman zu verfassen, in dem der Buchstabe "e" nicht vorkommt. In beiden und in vielen anderen Fällen spannt die kontingente Regel einen Rahmen auf, und dieser Rahmen schreibt mit am Text, der ohne ihn anders aussähe. Etwas über ein Jahr lang habe ich über jeden Film, den ich gesehen habe, einen 100-Worte-Text geschrieben. Eine Auswahl von 70 Texten ist in dieser Ausgabe von 'flypaper' abgedruckt. Für mich sind es Gedächtnisstützen, aneignende Versuche, beiläufig-zentralen Leinwandeindrücken eine Form zu geben: Screen Tests." (Volker Pantenburg)
*

FLYPAPER, herausgegeben von Lutz Becker und Uwe Koch, sind essays on demand, die per e-mail bestellt und per Post zugesandt werden. Sie sind einzeln oder als Abonnement unter Angabe der Lieferadresse zu beziehen unter: flypaper[at]t-online.de / Bisher: #1 - Dan Perjovschi / #2 - Tom Holert




Donnerstag, Februar 08, 2007
Berlinale 07 (II)

Sur ma Remington portative
J'ai écrit ton nom Lætitia
Elaeudanla Teïtéïa
Lætitia les jours qui se suivent
Hélas ne se ressemblent pas
Elaeudanla Teïtéïa

C'est ma douleur que je cultive
En frappant ces huit lettres-là
Elaeudanla Teïtéïa
C'est une fleur bien maladive
Je la touche du bout des doigts
Elaeudanla Teïtéïa

S'il faut aller à la dérive
Je veux bien y aller pour toi
Elaeudanla Teïtéïa
Ma raison en définitive
Se perd dans ces huit lettres-là
Elaeudanla Teïtéïa

Sur ma remington portative
J'ai écrit ton nom Lætitia
Elaeudanla Teïtéïa
Elaeudanla Teïtéïa

Serge Gainsbourgs Lied Elaeudanla Teïtéïa lernt Serge Riaboukine in Martin Rits Kurzfilm LA LECON DE GUITARE. Der Film hat es uns angetan (hier, hier und hier), und jetzt ist er im Berlinale Kurzfilm-Wettbewerb zu sehen. Die erste von acht Möglichkeiten dazu gibt es morgen:

9. Februar
19.00 Uhr
CinemaxX 3.



Berlinale 07 (I)
Mein Zuhause ist die Bäckerei,
bei der dicken Bäckerin bin ich dabei,
da gibt es viele Teilchen,
auf der Theke ist was los.


(Helge Schneider)


Die beiden betreten den Laden des Pâtissier Traiteur "Stohrer", 51, rue Montorgueil im 2. Arrondissement, Paris

DK: Ja, das ist natürlich nicht nur eine Bäckerei, sondern das ist...
GvB: Toll, oder?
DK: Das ist ein Kunstwerk.
GvB: Aber was empfinden Sie, wenn Sie in eine Bäckerei gehen?
DK: Ja, das erste, was ich empfinde, gerade jetzt hier, wo ich stehe, ist natürlich, dass ich es rieche. Also das ist so, sage ich mal, das Gefühl vom Amateur-Parfümmeister, der aber riecht, und ich rieche den, den Kuchen hier, diesen wunderbaren Kuchen, und vor allen Dingen hier - es gibt ja hier etwas, was es sonst nirgendwo gibt, das heißt "Puits d'amour", das Liebeskissen...*
GvB: Ja, ja, ja, ja, ja...

Die Kamera folgt DKs Zeigefinger und filmt die Teigware im Close Up.

DK: Das hier. Entweder man liegt da drauf, wenn man sich liebt, oder man liebt sich anschließend, wenn man es gegessen hat oder man isst es nach der Liebe...
GvB: Oder man liebt das Essen!
DK: Dann natürlich hier: Das Brioche, jetzt auch wieder bekannt geworden durch den Film MARIE ANTOINETTE.

Loungige Zwischenmusik, während die Kamera über die Briocheauslage fährt.

DK: Ich kenn mich mit Backwaren sehr gut aus, ich bin als kleines Kind in der Bäckerei groß geworden. Also nicht meine Eltern waren Bäcker, sondern in dem Haus war eine Bäckerei. Meine Mutter, als die morgens in die Fabrik ging um 6 Uhr, hat mich dort abgegeben als Schlüsselkind. Nicht so wie heute in der Disko, wo man da was dranhängen hat, sondern das war der Schlüssel, der Hausschlüssel. Und ähm, ja, dort hab ich das gerochen. Das war in Baden Württemberg, da gab es frische Brezeln und da gab es frisches Brot jeden Morgen, das wurde gebacken, das wurde reingeschoben, wieder rausgeholt, und das hat mich immer fasziniert, bis heute. Und eigentlich wollte auch in Wahrheit immer Bäcker werden, das war immer meine große Leidenschaft. Ich geh auch heute noch rum. Ich guck auch immer, wenn ich irgendwo bin: Wo ist ein guter Bäcker? Und - wenn ich hier so'n Guglhupf sehe, oder vor allem hier dieses Brioche.
GvB: Hm.
Dieses Brioche ist für mich wirklich, ähem, optisch-erotisches...

DK macht kreisende Bewegungen mit der rechten Hand.

...und geschmacklich unglaubliches Gebäck. Also es ist...
GvB: Bei diesem Thema geht es ja nicht nur um Gebäck, sondern - wenn Sie erlauben, ähm -

GvB blickt philosophisch nach rechts aus dem Bildkader heraus.

...auch um die Erotik von Bäckerinnen durchaus.
DK (schmunzelnd): Viele mögen diese sauberen Bäckerinnen, also diese mit den weißen Schürzen, wie Sie sagen, und immer frisch gewaschen und sie riechen und sehen auch so'n bisschen aus wie so'n Brioche. Also je nachdem wie sie aussehen, aber man könnte sie vergleichen mit vielen dieser wunderbaren Gebäcke und dieser Backwaren. Und es gibt ja auch diesen unglaublichen Film von Pagnol...
GvB: LA FEMME DU BOULANGER - DIE FRAU DES BÄCKERS.
DK: Und dort sieht man ja, obwohl es ja ein tragischer Film ist, weil: Während der Mann backt, liegt seine Frau im ersten Stock und betrügt ihn mit dem Metzger, was natürlich schon tragisch ist.
GvB: Ich glaube, er steht ungefähr um 2 Uhr morgens auf, geht in die Backstube, dann so gegen 7 weckt er sie liiieebevoll mit einem frischgebackenen Striezel, der noch duuufftet, bringt ihn ihr ans Bett und weiß nicht, dass der Schäfer inzwischen bei der Frau war, zum Schäferstündchen.
DK: Dramatischer Film

GvB lacht.

DK: Der Schäfer war's, genau.
GvB: Ja, der Schäfer war's.
DK: Und dieser Striezel, den er da immer gebacken hat, das war ja immer von den Resten dieser verschiedenen Backwaren, und das ist wirklich ein Symbol der Liebe, und das sieht man in diesem Film...
GvB: (atmet geräuschvoll ein): Ja.
DK: ... wie jemand jemand lieben kann durch einen frischen Striezel. Und für mich als Süddeutscher kann man das glaube ich auch gar nicht anders ausdrücken.

* puits, m.: Born, Brunnen, Schacht

[Gero von Boehm begegnet Dieter Kosslick, 3sat, 5. Februar, 22.25 Uhr]

"Ich möchte experimentieren und wissen, ob man die Intensität solcher Interviews noch steigern kann", sagt Gero von Boehm, der sich "Big Talk statt Smalltalk" auf seine Fahnen geschrieben hat.



Mittwoch, Februar 07, 2007
Langtexthinweis

* Michael Baute: Dezember 06, Januar 07



Dienstag, Februar 06, 2007
* Nuri Bilge Ceylan > Photography

[via conscientious]



Samstag, Februar 03, 2007
Fernsehhinweis



ARD, 04.02.07, 20.15h
"Polizeiruf 110: Taubers Angst"