Langtext-Hinweis
Auf new filmkritik für lange texte @ antville: Innen, Politik. Ein Text von Volker Pantenburg zu The Core, USA 2003, Regie: Jon Amiel posted by volker pantenburg link|
Samstag, April 26, 2003
Film-Hinweise
Gestern, 19:30 Uhr, im kleinen Arsenal unterm Potsdamerplatz, Berlin: das Buch Kinowahrheit von Hartmut Bitomsky (Hrsg. v Ilka Schaarschmidt, Berlin: Verlag Vorwerk 8) wird vorgestellt. Zwei Einleitungen von Männern hinterm Stehpult, eine mit Sklovskijzitaten, eine mit welchen von Bitomsky, dann zwei Filme Bitomskys: INFRASTRUKTUR BERLIN-WEST, von 1987; DEUTSCHLANDBILDER, von 1983. Nach der Projektion, gegen halb zehn, steht man im Arsenal unterm Potsdamerplatz und die Geräusche der Belüftungsanlage klingen wie niederprasselnder Regenschauer. Man steht dann noch ein paar Minuten herum und redet, raucht eine Zigarette oder zwei, bis man merkt, dass man falschem Sounddesign aufgesessen ist. Draußen ist es warm und trocken. Ein paar Tage zuvor, nach dem Viertelfinalspiel zwischen ManU und Real, hatte Christian gefragt, wieso noch keiner was hier geschrieben habe über das Buch.
Im Arsenal wollte ich mir eigentlich nur den Infrastrukturfilm angucken, den kannte ich noch nicht. Einer meinte vorher, der Film sei in Deutschland erst zweimal gezeigt worden. Eine kleine Fernsehproduktion für einen französischen Sender, 10 Minuten lang. Eine Morgens-Abends-Klammer, eine Sammlung von 16mm-Aufnahmen, ein Querschnittsfilm ohne ruttmannsche Emporhebung: Sackgassen, Industriebaracken, Schrottplätze, Schiffe, Müllabfuhr, Kopfsteinpflaster. Immer immer wieder Autos, haltende, abfahrende, aufgebockte, durch Schnitte zwischen den Bildern hin- und herfahrende. Schilder, Geräusche, Details. Ein Westberlin in Abwicklung, 1987, lose Fadenenden, die in der Montage enganeinandergesetzt sind. Hartmut Bitomsky: "Auch dieser Film hatte eine Aufgabe: er sollte von Berlin handeln und ohne die deutsche Sprache auskommen. Wir suchten die Zonen auf, über die früher die Stadt versorgt wurde. Jetzt liegt dort Müll und Abfall. Der Müll ist bunt, die Farben schreien. Das Geschrei ersetzt die Sprache." DEUTSCHLANDBILDER, danach, meinte ich vom Videogucken und Textelesen gut zu kennen, auf der Leinwand aber im Arsenal erschien er ganz neu. Das geht aber immer so im Kino. Man steigt nie in den selben Fluss.
Obwohl jemand wie ich ihm viel zu verdanken hat: von oder zu Bitomsky schreiben möchte ich eigentlich nicht. "Über" schon gar nicht. Mit Bitomsky geht es mir da wie mit den anderen, denen ich zu Dankschreiben verpflichtet sein sollte: Frieda Grafe, Manny Farber, Serge Daney, Jean-Luc Godard, Helmut Färber, Jonathan Rosenbaum zum Beispiel. Aber wieso, wenn man nicht über von zu an schreiben will, schreibt man dann Sachen, in ein Weblog zum Beispiel? Man müßte dies Nichtwollen überwinden, in dem man andere Formen von Reverenz und Referenz findet, aber selbst ein Zitat abzuschreiben wie eine Fron aus eigenem Willen und zu veröffentlichen scheint mir beschämend. Wegen des Verdachts, dem man beim Gelesenwerden sich aussetzt, vom Glanz des Zitierten beschienen werden zu wollen, um schöner größer heller zu erscheinen als man ist und emporgehoben auf eine Stufe mit dem Glanzerzeuger. Wenn ich das aufschreibe, kommt es mir vor wie ein theologisches Problem, das sich nur lösen läßt durch Monotheismus und Bildverbot. Ich fand es immer ganz großartig, wie Peter Nau, einer der in die polytheistische Aufzählung oben gehört, mit dem Problem der Reverenz umgegangen ist: ausschließlich Goethe zu zitieren, als seien dessen Texte Natur. Aber ich schweife ab, tue nur so, als wüßte ich nicht, wie sich's machen ließe.
Weitere Filme von Hartmut Bitomsky in den nächsten Tagen im Kino Arsenal:
REICHSAUTOBAHN | DER VW-KOMPLEX | HIGHWAY 40 WEST
Termine | Programmtexte posted by michael baute link|
Staatsfeind Nummer zwei
Zwischen zwei Kriegen: Vor ein paar Monaten, in der Zeit nach dem Afghanistan- und vor dem Irakkrieg, warb die Dresdner Bank im Fernsehen mit einem technisch hochgerüsteten und inhaltlich konfusen Werbespot für ihren "Fondsmanager": "Aus der Tiefe des Raumes" (Karl Heinz Bohrer über Günter Netzer), in diesem Fall des Weltraumes, stößt da die Kamera blitzschnell auf ihr Ziel nieder, das durch ein fadenkreuzartiges Rechteck hindurch anvisiert wird. Das geschulte Auge erkennt auf Anhieb die Halbinsel Manhattan, drei Schnitte weiter läßt sich das markante Portal unweit von Ground Zero ausmachen. Schließlich folgt eine Nahaufnahme vom Eingang zum "New York Stock Exchange" in der Wall Street, teilweise verdeckt von einer übergroßen Amerikaflagge.
Günter Netzers Stimme - doch! er ist es tatsächlich - souffliert dazu aus dem Off: "Hier analysiert der dit chancenreiche Aktien." Die Sequenz dauert insgesamt knapp fünf Sekunden und ist von etwa 20 Schnitten zerhäckselt; eine Frequenz, die wohl deutlich machen soll, wie schwer es dem Kapital des Kunden fallen muß, mit einem derart wildgewordenen "Turbokapitalismus" Schritt zu halten. Kein Wunder also, sondern Globalisierung, daß die nächsten fünf Sekunden schon - nach demselben Schema: per Satellitenbild gezielt, dann Zoom und Schnittmassaker - dem zweiten Finanzstandort London gewidmet sind. "Hier spricht der dit über Märkte der Zukunft". In Frankfurt schließlich finden wir Netzer selbst vor der Börse zwischen den markanten Ochsen wieder. Dort darf er sein vorletztes Sätzlein nach schräg oben in die Kamera sprechen: "Hier sucht der dit Anleihen mit viel Rendite und wenig Risiko."
Die Zeit wird knapp (und ist Geld). Denn in den verbleibenden fünf Sekunden muß nun noch die Verbindung zum Privatkunden hergestellt werden, an den sich die Werbung richtet. Der liegt als jungdynamisches, heterosexuelles Paar, wie wir jetzt sehen, sorglos im heimischen Garten und blickt überaus entspannt ins all-seeing-camera-eye. Netzer: "Und hier genießen Sie, daß Ihr Geld in professionellen Händen ist." Ein letzter Überschall-Zoom zurück ins All: Schluß.
Neben der aufdringlichen und technikverliebten Visualisierung von Geschwindigkeit und globaler Hektik, gegen die die Montage das Paar auf den Liegestühlen als vermeintlichen Ruhepol setzt, gibt es in den Werbebildern eine zweite Ebene. Eine Untiefe, die die tröstliche Nachricht ('Wir kümmern uns um alles, machen Sie sich keine Sorgen') konterkariert.
Man muß nicht paranoid sein, um sich angesichts der düsteren Musik und der auffälligen Überwachungsästhetik eher unangenehme Fragen zu stellen: Aus wessen allmächtigem Auge sehen wir all dies? Steht an Stelle dessen, was in der Vergangenheit einmal das Auge Gottes gewesen sein mag, nun der Fußballgott Günter Netzer? Oder vielleicht eher das des weltumspannenden Kapitals? Und wie beruhigend soll ich es finden, daß sich die Fondsmanager via Satellitenschaltung nicht nur auf dem internationalen Finanzparkett, sondern auch in meinem gutgehegten heimischen Vorgarten ein bißchen genauer umschauen? Geld kennt keine Grenzen - das sagen die Bilder -, also auch nicht die zwischen öffentlichem und privatem Raum. Darin verhält es sich durchaus analog zum umfassenden System visueller Überwachung.
In ihrer Machart gleichen die Aufnahmen exakt den Überwachungssequenzen, mit denen Tony Scott 1998 seinen Spielfilm "Enemy of the State" einleitete. Die dort im Vorspann gezeigten Machtzentralen - unter anderem das damals noch unbeschädigte Pentagon - sind hier lediglich gegen die Knotenpunkte des Aktienmarkts ausgetauscht. In Scotts Film gerät Will Smith wider Willen als "Staatsfeind Nummer 1" in die Mühlen der Überwachungsmaschine aus CIA, NSA und FBI. Die Bildsequenzen, die sich ihrerseits an den hinlänglich bekannten Satellitenbildern aus dem ersten Golfkrieg orientierten, stehen dort für das allgegenwärtige Überwachungsauge des Staates, das einen technologischen Krieg gegen den Einzelnen führt.
Was sagt das über die Dresdner Bank aus? Falsch ist das, was im Spot implizit gezeigt wird, sicher nicht: Sollte es heute noch ein vereinheitlichendes Auge geben, nach dessen Blick sich die Welt ausrichtet, dann ist es wohl tatsächlich am ehesten das des Kapitalismus. Ob jedoch eine Bank in verblüffender Ehrlichkeit für die Kapitalisierung und Öffentlichmachung des Privatlebens - die immer auch mit Techniken der Überwachung einhergeht - werben kann, indem sie den Überblick über den Geldmarkt in Bildern darstellt, die an Überwachung und militärische Angriffe erinnern, ist zumindest fragwürdig.
Das letzte Bild des Werbeclips zeigt wieder die Erdkugel von außen und nimmt damit die Metapher vom globalen Kapitalismus beim Wort. Aber: Wenn wir gegenüber dem Finanzmarkt in der Rolle des unschuldig verfolgten Will Smith sind, wer wäre in diesem Film dann Gene Hackman, der uns da rausholt?
"Wenn er über das Menschliche und Natürliche hinausgeht, dann mit der größten Coolness. Er deutet nur zart an, er verschmäht die Fotografie als Hieb, als Gag, all die schreienden Platituden, die Mache, mit der ein Illustriertenmann sich vom andern absetzen will. Wie aber ist es möglich, dass solche Banalitäten so sehr beeindrucken? Wie können ein rosa Plastikfisch oder ein ausrangiertes Schaukelpferd zu Hauptdarstellern von Tragödien werden? Wie ist es zu erklären, dass ich an der Schönheit dieser Ketchup-Flasche, dieses Parkschilds, dieses Sondermülls mein Leben lang achtlos vorüberging? Die Antwort auf die letzte Frage bleibt. Weil ich kein Amerikaner bin.
Ein Amerikaner tut die Oberfläche nicht leichtfertig ab, um einer Tiefe willen, die es nicht gibt. Er hat noch ein Verhältnis zur Schönheit. Mir muss die Welt, die mir Eggleston zeigt, wie ein Schutthaufen erscheinen, den ein Gott illuminiert hat. Aber es gibt keinen Gott, es gibt nur diesen Schutthaufen. Das ganze Geheimnis, sagt Wittgenstein, ist, dass es kein Geheimnis gibt. »Die Dinge liegen unmittelbar da vor unseren Augen, kein Schleier über ihnen.«"
[ Stefan Ripplinger, Bin gleich wieder da, zu Los Alamos, frühe Farbfotografien William Egglestons, in Köln ] posted by michael baute link|
Dienstag, April 22, 2003
"Zur Orientierung verhilft eine ganz einfache Methode, die auch jeder intuitiv anwendet. Man sammelt alles noch einmal auf, was man bestimmt weiß, hoch selektiv. Was zusammengesammelt wird, muss nicht stimmen, aber es ist das natürliche Gegenmittel gegen die Verwirrung. Dadurch entwickeln Menschen sich neue Bilder. Insofern bekämpfen Bilder Bilder. Insofern bekämpft Krieg Krieg. Die Vorstellung des Kriegs von sich selbst als Träumer des Absoluten – er sei die reine schiere Gewalt (tatsächlich ist er, zum Beispiel, Sandsturm, Kartenspielen, Durchfall) – wird durch die Pannen, die dieser selbe Krieg produziert, aufgezehrt. Die Aggression, die der Krieg entfesselt hat, richtet sich irgendwann gegen die eigene Partei."
[ Alexander Kluge, Jeder Schrecken ist löchrig wie ein Schwamm - Interview mit Claus Philipp in "Volltext - Zeitschrift für Literatur", vom 8.4.03 ] posted by michael baute link|
Montag, April 21, 2003
Harun Farocki, Kriegstagebuch (5)
Nachträge:
Embedded Journalists
Ihnen reichte nie aus, was sie aus der Perspektive ihres Truppenteils auffassen konnten. Sie stellten sich vor einem Fahrzeug oder Gebäude auf und erzählten der Kamera, was sie aus zweiter Quelle erfahren hatten. Nur wenn sie wie Korrespondenten agierten, wussten sie was zu sagen. Von ihrer teilnehmenden Beobachtung, von ihrem Soldaten-Spielen blieb nichts übrig.
Kriegskosten
In der Nationalgalerie von Toronto sah ich zwei Plakate aus dem Zweiten Weltkrieg, auf dem ersten ist ein sauber leergegessener Teller zu sehen mit ein paar abgenagten Knochen. Der Text mahnt, keine Resourcen zu verschwenden. Das zweite Plakat zeigt ein Bomberflugzeug und eine fallende Bombe und fordert auf, die Knochen jeder Mahlzeit zu sammeln und abzugeben, man könne daraus Leim zum Flugzeugbau und Detonationsmittel für Bomben herstellen. Damals musste man sich Kriege noch vom Mund absparen!
Rhetorik des Unzureichenden
Sieben US-Soldaten werden aus der Kriegsgefangenschaft entlassen/befreit. Eine Video-Kamera hat vom Ereignis etwas aufgenommen, zwei Krankenwagen, die nebeneinander herfahren und die Soldaten selbst, die einen Platz überqueren. Die Bilder wurden per Videophone übermittelt. Jetzt werden sie in Zeitlupe wiederholt, zu einem Kommentar, der das Ereignis wiedergibt. Genau das sieht man ständig auf "Unabhängigen Film-Festivals”, ein Bild das nicht viel sagt, technisch herabgesetzt zum Ziel der Überhöhung, oft wiederholt um überdeutlich zu machen, dass die grossen Momente keine Bildentsprechung finden. Bei diesem CNN-Beitrag macht diese rhetorische Figur einigen Effekt, denn die Produzenten handeln aus reiner Bildernot und wollen das nicht beschönigen.
Augenbinde
Woher kam der Kran, mit dem das Saddam-Standbild in Bagdad umgerissen wurde? Dass jemand zuvor der Figur eine US-Fahne um das Gesicht gewickelt hatte, könnte ein schiefes Bild ergeben. Oder, die Fahne soll eine Augen-Binde bedeuten, wie man sie dem Verurteilten vor der Hinrichtung umlegt.
Erfolg
Am 7.4.03 gab die CIA Hinweis, Saddam und seine Söhne Uday und Qusay hielten sich in einem bestimmten Gebäude auf, ein B-1B Bomber flog hin und warf eine 900-Kilogramm-Bombe drauf, die einen 18 Meter grossen Krater riss. Rumsfeld sprach von einem ausserordentlichen Erfolg. Ob die Familie Saddam getroffen wurde, wurde nicht weiter verfolgt. Mindestens 14 Zivilisten waren tot und das Sprüchlein vom Bedauern
darüber wurde vergessen. Da die Präzision der Waffen in diesem Krieg ständig gerühmt wurde, kann der Erfolg nicht darin liegen, dass die Bombe ihr Ziel nicht verfehlte. Läge er darin dass es gelang, eine Aufklärung des Geheimdienstes schnell zum Militär zu kommunizieren, würde Rumsfeld das kaum öffentlich machen wollen.
Pentagon-Reporter durften mit zwei Mitgliedern der Bomber-Besatzung ein Telefon-Interview machen, das auch sogleich auf CNN ausgestrahlt wurden. Captain Wachter und Lieutenant Swan erzählten von Adrenalin-Stössen und Stolz. Üblicherweise wird nicht öffentlich gemacht, wer wohin eine Bombe wirft. Bei einer standrechtlichen Erschiessung gibt es sogar den Brauch, ein Gewehr mit einer hölzernen Kugel zu laden, sodass jeder im Kommando denken kann, er habe den Tod nicht verursacht.
Uniform-Mode
Polizei-Uniformen haben keine Anmutung, im Kino sind die Polizisten ohne Uniform die Helden und die in Uniform die Witzfiguren, wie die Keystone-Cops zu Stummfilm-Zeiten, die bei Verfolgungen über einander stolperten. Wenn das Projekt einer Welt-Polizei sich durchsetzt, müsste auch Madonna wieder die Uniform ablegen und sich zivilisieren.
Vielleicht kriegen wir im Kino bald eine gut choreografierte, herumpurzelnde Weltpolizei zu sehen.
Zeit-Politik
1991 begleitete das nichtprivate Fernsehen in Deutschland den Krieg gegen den Irak exzessiv und als er vorbei war, behielt es das "Frühstücksfernsehen" bei. Kein Feind kann für die Ausdehnung der Sendezeiten und Vermehrung der Kanäle verantwortlich gemacht werden, das müssen wir uns schon selbst zuschreiben. Nach der Theorie des Partisanen versucht der Schwache, den Starken zu schwächen, indem er dessen Aufmerksamkeit bindet. In der selbstauferlegten Zertreuung beim Dauerfrühstück ist ein Gegner entworfen, dessen Bild nicht zu fassen ist.
"Wieder ein anstrengender Tag. Trotz Sonne."
Rudolf Thome, Frau fährt, Mann schläft Drehtagebuch - 1. Woche (9.4. - 13.4.) posted by michael baute link|
Donnerstag, April 17, 2003
Film-Hinweis
In Berlin gezeigt wird am 19. und 20.04.
James Bennings UTOPIA
Grossartige Aufnahmen des Death Valley bis hin zur suedlich gelegenen mexikanischen Grenze mit dem kompletten Soundtrack aus dem Dokumentarfilm "Ernesto Che Guevara, das bolivianische Tagebuch" (1994) des Schweizer Filmemachers Richard Dindo ueber die letzten Tage des bolivianischen Revolutionaers. Vor diesem Hintergrund erfahren Bennings Aufnahmen der kalifornischen Landschaft eine neue Dimension.
Ort:
Augenblick - Raum fuer Gegenwartskunst, Niederbarnimstr.15, 20 Uhr.
[via Berliner Gazette] posted by michael baute link|
Mittwoch, April 16, 2003
Fernseh-Hinweis
Freitag, 18.4.03 - SFB1 - 23:00 Uhr - "Playgirl - Berlin ist eine Sünde wert", Regie Will Tremper, BRD 1966.
Ein kurzer Text dazu auf unserer Langtextseite: hier. posted by michael baute link|
Dienstag, April 15, 2003
Sicherheitsmitarbeiter haben ein wachsames Auge auf Ihre Gegenstände
"Am xx.xx. 2003 findet die absolut erste Aufführung unseres Films
X MEN 2
Regie: Bryan Singer
mit Patrick Stewart, Hugh Jackman, Halle Berry, Ian McKellen, James Marsden, Famke Janssen
Länge: ca. 120 Min.
Originalfassung
Start: 1. Mai 2003
um xx:xx Uhr im Filmpalast Berlin, Kurfürstendamm 225 statt.
Bitte haben Sie Verständnis, dass aus Sicherheitsgründen (der Film ist zu diesem Zeitpunkt auch in den USA noch nicht gestartet) keine Taschen in den Kinosaal genommen werden dürfen, sowie Mäntel und Jacken unter Aufsicht im Foyer des Kinos abgegeben werden müssen.
Sicherheitsmitarbeiter haben ein wachsames Auge auf Ihre Gegenstände. Natürlich dürfen auch keinerlei Aufnahmegeräte (werder für Bild noch für Ton) mitgeführt werden.
Mit Ihrem Erscheinen zur Vorführung akzeptieren Sie diese Festlegungen!"
6.4.03 (Toronto)
Ein kanadischer Nachrichtenkanal in ähnlichem Design wie CNN, auf dem Hauptbild spricht ein Arzt über SARS, auf dem Nebenbild erscheinen Autobahnbilder aus der Region, die eine Bildunterschrift jeweils lokalisiert. Es hat einen heftigen Schneefall gegeben und diese Bilder sollen die Verkehrsverhältnisse dokumentieren. Für einen Augenblick glaube ich, sie zeigten den Vormarsch der Seuche und zugleich den Vormarsch der Koalition auf Toronto.
Seit Beginn der Invasion haben wir aus dem Irak Bilder von ähnlicher Banalität gesehen, denen kaum mehr abzulesen war als Wetter und Verkehrsdichte. Das Wissen, das seien Kriegsbilder, hat uns in Spannung gehalten. Die Kommentar-Stimmen haben zu der Spannung beigetragen, indem sie von "unerwarteten Schwierigkeiten" und einem "Widerstand, stärker als erwartet" sprachen. Das ging mir ein, wohl im Kinderglauben, das Unrecht des Angriffs werde sich rächen, gleich oder irgendwann.
7.4.03
Im "Toronto Star” das Foto eines US-Panzers, in starker Untersicht gegen einen hellblauen Himmel, von dunkelgrauen Wolken oder Rauchschwaden durchzogen. Auf der Luke des Panzers am Bildrand rechts steht ein irakischer Soldat und hält Ausschau, am Bildrand links balanciert ein zweiter sehr sicher auf dem Kanonenrohr von etwa zwanzig Zentimern Durchmesser, seine Jacke weht auf und die rechte Hand hält eine Waffe gesenkt, die linke ist zum Victory-Zeichen erhoben. Dabei schaut er aus dem Bild nach links oben. Die Bildunterschrift sagt, der M-1 Abrams-Panzer sei bei einem Kampf an der Stadtgrenze von Bagdad von einer Granate getroffen und aufgegeben worden. Das Bild hält keine Pose fest, sondern friert einen Moment aus einer unverständlichen, mit Selbstgewissheit ausgeführten Handlung ein. Die Untersicht und der dramatische Himmel erinnern an ein Schlachtengemälde. "A coalition plane later swooped in and destroyed the tanks remains." Das ist symbolische Politik: ein kaputter Panzer wird zerstört, damit man mit ihm kein "Schindluder" treiben kann, damit die Panzer-Leiche nicht weiter geschändet werden kann.
8.4.03
Anders als in den USA ist hier in jeder Bar der Krieg auf dem Bildschirm anwesend. Im Frühstückscafé ein kanadischer Kanal auf dem links Strassenbilder aus Bagdad und rechts Highways aus der Region Toronto zu sehen sind.
9.4.03
Im Traum: Wir fuhren mit einem Bus zu etwas wie einem politischen Seminar. Jemandem war es gelungen, den alten Hitler aufzutreiben. Er sass mit uns im Bus und sah sich ein bißchen ähnlich, aber auch teilweise überhaupt nicht. Ich versuchte sein Alter auszurechnen und witzelte mit ihm rum :"Haben Sie Dich angerufen oder Eva Braun?". Ich duzte ihn absichtlich. Wir kamen überein, dass er nicht echt sein kann. Mein Freund Christian Petzold sagte: "Würden Sie diesem Mann ein gebrauchtes KZ abkaufen?"
Das ist natürlich ein Tages-Rest. Am Vorabend hatten wir das Video mit Bin Laden oder seinem Wiedergänger gesehen. Ausserdem hatte Hitler am Ende Sorge, man könne mit seiner Leiche "Schindluder” treiben.
11.4.03
Erinnerung an einen Satz von Jan Stage: Früher wurden Kriege geführt, um sich etwas unter den Nagel zu reissen, heute, um einen Antrag auf Kredit bei der Weltbank vorzubereiten. Umfrage auf CNN: Ist der Krieg erst dann gewonnen, wenn wir S.H. haben (tot oder lebendig) oder wenn er aus dem Amt ist. 51% zu 49%.
Dieses Tagebuch endet in der nächsten Woche.
Webloghinweis
auf das Filmtagebuch aus Berlin posted by michael baute link|
Montag, April 07, 2003
Harun Farocki, Kriegstagebuch (3)
31.3.03
"Erstausstrahlung" von Madonnas "American Life" auf dem Musikkanal Viva, - dem Sender mit dem Friedens-Zeichen als Logo. Der Clip will sich gegen jeden Einwand schützen, indem er ins Zentrum eine Modenschau stellt, mit Mädchen in Talibankleidung auf dem Laufsteg, über den schliesslich ein jeepähnliches Fahrzeug mit Mädchen in Uniform hereinbraust. Es soll also um die Mode der Politik gehen. Es war eine Politik der Mode, dass Anti-Militaristen Uniform-Teile anlegten, um deren Magie zu brechen. Umgekehrt haben US-Soldaten im Vietnam-Krieg Attribute der Protestbewegung angenommen: lange Haare, Drogen, Rock-Musik. All das ist seither völlig entzaubert und taugt nicht mehr zum Ausweis einer Geisteshaltung. Darüber gibt es schon Bücher und das muss Madonna, die als nicht dumm gilt, wissen. Dass der Clip schon vor der Premiere umgeschnitten worden sein soll und danach wieder zurückgezogen wurde, also eine Provokation bedeuten soll, hat mit der Krise der Institution Militär zu tun. Weil es für das überkommene Militär keine Funktion gibt, wird der Soldatenrock wieder zu einem Heiligtum. Zur nationalen Folklore trägt Madonna bei, indem sie so tut, als könnte sie für ihren Clip an die Wand gestellt werden. (Ein "Fashion Victim"). Zu unterstellen, ihr Spiel könne die Soldaten beleidigen, während jeder zweite Arbeitslose in Armee-Klamotten rumläuft ("Reserve-Armee"), weist auf die ideologische Konfusion und ist damit vielleicht sogar ein subversiver Akt.
2.4.03 (Chicago)
Der Krieg ist eher in den Börsen-Schwankungen abzulesen als in den Alltagsbildern. In den Bars laufen nur Sportbilder. Im Hotel müssen wir durch viele Kanäle schalten, bevor der Krieg erscheint. CNN hat hier einen anderen Tonfall als in Europa. Der Grundton ist der eines Sportreporters, der entschieden für das eigene Team Stimmung macht. Strassen im Irak sind zu sehen, auf denen Panzer in Richtung Bagdad fahren. Bei Sportereignissen ist es heute üblich geworden, vor und nach dem Spiel Experten einzuladen und mit ihnen zu sprechen, weil das Bild nichts hergibt. Hier gibt das Bild nie etwas her, die "überraschend heftige Gegenwehr" ist nie zu sehen und auch eine Totale von Bagdad während des Bombardements macht nicht deutlich, was getroffen wurde und mit welchen Folgen. Also werden auch hier Experten zugeschaltet, ein ehemaliger Verteidigungsminister und ein ehemaliger Aussenminister. Sie haben an der Kriegsführung einiges auszusetzen und am aussenpolitischen Kurs der Bush-Regierung, meinen das aber konstruktiv. Der Ex-Aussenmminister sagt, es wäre schön, dass Bush "this animal" Sadam jetzt killen wolle. Mal erscheint das Bild des TV-Hosts links und daneben, übereinander, sind die beiden Experten zu sehen, im nächsten Augenblick ist der eine Experte grösser zu sehen und die beiden anderen Köpfe sind in kleinere Rahmen gekästelt. Das Umschalten und grösser und kleiner erscheinen lassen von zugeschalteten Köpfen ist sowieso die Hauptaktion bei CNN. Hier ist nun auch stets noch die irakische Landschaft mit den Fahrtaufnahmen dabei.
5.4.03
Anders als im vorigen Krieg gegen den Irak 1991 ist die Kriegsführung darum bemüht, möglichst keine oder möglichst wenige zivile Opfer zu verursachen. Die Live-Bilder aus Bagdad, Totalen, die das Ausmass der Bombardements nicht ermessen lassen und auch die langen Einstellungen von Truppenbewegungen irgendwo lassen sich mit den Bildern aus Überwachungskameras in einem Bürohaus oder Krankenhaus vergleichen. Sie zeigen nicht alles und es ist ihnen nicht abzulesen, ob einer die Bücher fälscht oder die Narkose verpatzt. Aber dass es die Kameras und die Bilder gibt, das steht für eine gewisse Ordnung und soll für Rechtlichkeit gelten. Wir sind als Zuschauer in die Rolle des Sicherheitspersonals versetzt, vor dem diese Bilder ablaufen. In jedem Film sind die Leute vor diesen Kontrollschirmen elende Idioten und kriegen eins auf die Mütze beim Überfall. Sie werden wenigstens bezahlt fürs absitzen, wenn auch schlecht.
Fernsehen
Den Eindruck, dass die in den Nachrichtenkanälen gezeigten Bilder vom Krieg lügen und betrügen, habe ich eigentlich nicht.
Der Eindruck des Schlechtbehandeltwerdens befällt mich hin und wieder, wenn ich zusehe, wiediese Bilder in immer routinierterem Umgang fürs Erzählen genommen und gerichtet werden: aneinandergereiht; gegengeschnitten; mit Legenden und Tönen versehen; untertitelt; übereinandergelagert; hinter Live-Berichterstatter platziert; verschiedene Zeiten und Materialien mischend und Karten, Animationen, Icons und Trademarks über sie ziehend; Blicke und Bewegungen aus dem einen in das andere übertragend; einen Schwenk mit einer Ranfahrt konternd; ein flackerndes Blitzlicht als Schnittmoment nutzend; von städtischen Straßenmengentotalen auf Kindergesichter darin zoomend und dann tausende Kilometer von dieser zur nächsten Einstellung ins Bundespresseamt, Oval Office, House of Commons, nach Afghanistan oder zum Publikum auf der Straße für einen Beweis des Zusammenhangs zurücklegend; sowie weiterem mehr.
Kein Grund für Ikonoklasmus. Es geht wohl mehr um die Signaturen.
Kein euphorisierendes Adrenalinansteigen aber auch beim Gedanken ans Stürmen der audiovisuellen Erzählzentralen (siehe dazu auch die Elemente der Schlachtbeschreibung I, II und III - vom Wörterberg, dessen tägliche Lektüre diesen Eintrag offensichtlich beförderte). posted by michael baute link|
Samstag, April 05, 2003
Langtexthinweis
Kinoträumer gegen das Godardgespenst.
Von Michael Girke. Zu Syd Fields Going to the Moviesund Michael Althens Warte bis es dunkel ist. posted by volker pantenburg link|
23.3.03
Gestern nahm ich im SFB an einer Radio-Diskussion teil. Zuhörer riefen an und alle kritisierten die Bild-Berichterstattung im Fernsehen. Nicht nur, dass da kein vollständiges oder wahres Bild vom Krieg gezeigt werde. Eine Frau sagte, sie habe gesehen, wie ein TV-Team Gas-Masken anlegt und hätte denken müssen, sie schützten sich, um Bilder ungeschützter Zivilisten aufnehmen zu können.
Erinnerung an den ersten Kriegstag: in Kuwait ist Luftalarm, im Pressezentrum versuchen die Berichterstatter, ihre Gasmasken anzulegen. Im Hintergrund sieht man das Hotel-Personal, Männer und Frauen aus Thailand und von den Philippinen. Für sie gibt es keine Masken, sie haben Taschen-Tücher umgebunden – wie bei einer Grippe-Epidemie.
24.3.03
Für zwei Tage bin ich in Lille, man bringt mich in einer Wohnung ohne Fernseher unter.
Auch das Tabac über die Strasse hat keinen Fernseher.
- Ein Bildtyp, der 1991, beim Krieg der Alliierten gegen den Irak, Furore machte, kommt in diesem Krieg nur noch am Rande vor: die Luftaufnahmen aus Flugzeugen oder Drohnen zur Überwachung des Bombardements.In kontrastarmem Schwarzweiss, im Zentrum das Fadenkreuz. Mit dem Einschlag des Projektils reisst die Aufnahme ab.
Noch mehr Erstaunen riefen die Bilder aus dem Kopf der Projektile hervor, die den Anflug auf das Ziel übermittelten, aus "filmenden Bomben” (Theweleit). Weil Videospiele mit dynamischen Perspektiven Effekt machen, schrieb man damals viel, der Krieg erscheine wie ein Videospiel.
Diese Bilder wurden im Zusammenhang mit dem Wort "intelligente Waffen" gezeigt, und weil sie den Blickpunkt der Waffe einnahmen und nicht den eines zielenden Soldaten erschienen sie als Subjektive neuen Typs. Sie gaben dem Projektil eine Subjekt-Ähnlichkeit und waren ein Bild zur Einfühlung in den Geist der Waffe.
Es ist damals kaum bemerkt worden, dass eine Videokamera im Projektil noch lange nicht beweist, dass dieses "intelligent" ist, also mittels Bildverarbeitung ein Ziel erkennen und ansteuern kann. Tatsächlich dienten die meisten der Bilder aus diesen Selbstmord-Kameras nur zur fotografischen Kontrolle der Wirksamkeit des Angriffs – dieses Verfahren gab es schon in Zweiten Weltkrieg.
Diese Bilder waren also eine merkwürdige Reklame: Reklame für eine Waffe, die die Waffenindustrie gerne entwickeln/verkaufen würde und die Militärführung gerne bezahlt bekäme. Ein Waffe behauptet ihre Existenz um ein Existenz-Recht zu setzen! -
Gestern wurden solche Bilder bei einer Pressekonferenz der US-Kriegsführung gezeigt. Der Fernsehbericht des 1.Programms zitierte sie nur für Sekunden und merkte an, diese Bilder bewiesen nichts. Der Kommentar merkt gegenwärtig ständig an, man wisse nicht, wo eine bestimmte Bildfolge aufgenommen worden sei und man könne nicht nachprüfen, ob sie eine Situation angemessen wiedergebe. Auf einmal ist das Fernsehen extrem medienkritisch.
Man spricht in diesem Krieg nicht mehr von "intelligenten Waffen”, nur noch von Präzisions-Waffen.
31.3.03
Schlagzeile der "Berliner Zeitung": "Kirche unterstützt Reformkurs". Der Krieg ist nicht mehr die erste Nachricht.
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