new filmkritik


Montag, Mai 07, 2007
UMZUG

Nach knapp 2000 Tagen bei antville und blogger machen wir ab jetzt hier weiter. Unter der neuen Adresse www.newfilmkritik.de sind alle Einträge seit November 2001 zu finden.

Großer Dank an Erik Stein für die technische Unterstützung.



Freitag, Mai 04, 2007
A Trace in the Desert in the Form of a Circle next to a Naked Tree

Erinnerungen an UMUT (1970, Serif Gören/Yilmaz Güney), gesehen vor gut einer Woche: Der Droschkenfahrer, gespielt vom Regisseur Yilmaz Güney selbst, der sein Pferd verliert und den ohnehin ziemlich aussichtslosen Job nicht weitermachen kann. Er rackert sich ab, um Geld für ein neues Pferd aufzutreiben, aber überzeugend sind diese Manöver nicht, zumal die Stadtverwaltung die anachronistischen Gefährte per Dekret verbieten will.

Das harte Schwarz-Weiß und wie die Realität einer Stadt im Umbau in die Bilder hineinsickert: Brachen, halbfertige neue Wohnblocks, Kräne, dagegen die engen Slums, in denen der Droschkenfahrer mit seiner Familie wohnt.

Es waltet eine merkwürdige Grammatik im Film. Später, im Gespräch, wird einer von uns zurecht fragen, ob das denn überhaupt eine Grammatik sei. Stimmt: Es waltet vielleicht keine Grammatik im Film, nicht einmal eine merkwürdige. Mir kam es zum Beispiel vor, als habe Güney eine bestimmte mittlere Einstellungsgröße einfach weggelassen. Die einfachsten Sequenzen bekommen dadurch etwas Unbeholfenes, Stolperndes. Wenn er die beiden Kinder auf dem Weg zum Einkauf filmt, sieht man sie einmal von Nahem und dann, unvermittelt, aus einem ganz exzentrischen Kamerawinkel vom Dach eines Gebäudes aus. Vergleichbares passiert häufig, und es hat eine Desorientierung zur Folge, die zwar gar nicht unangenehm ist, von der man allerdings nicht weiß, welcher Überlegung sich dieser Einfall verdankt. Überhaupt: Das Verhältnis von Einfall und Überlegung. Wahrscheinlich ist das nicht besonders gut, wenn einer zu viele Einfälle hat für seinen Film. Aber genau dies scheint Güneys Film selbst nach einer Weile zu merken, weshalb er sich nach 50 Minuten zur radikalen Einfallsaskese entschließt.

Schluss jetzt: Keine Einfälle mehr! denkt der Regisseur. Doch, diesen einen noch, bittet der Film. Na gut, lenkt der Regisseur ein, aber ehrlich gesagt sind jetzt beide ein bisschen unzufrieden, Film und Regisseur. Der Hauptdarsteller vermittelt.

Mit einem etwas zwielichtigen Typen, der von Beginn an in regelmäßigen Abständen von einem Schatz daherredet, verlassen der Droschkenfahrer und ein Freund die Stadt und machen sich auf die Reise. In der Nähe eines Flusses, zwischen zwei Brücken, gleich neben einem nackten Baum, sei dieser Schatz zu finden. Das ist eigentlich alles, und der Plot wirkt jetzt so karg wie die Wüstenlandschaft, durch die der Film sich mit den drei Figuren und zwei Eseln bewegt. Dieses Zurückschrauben von narrativen Einfällen führt ärgerlicherweise dazu, dass ich als Zuschauer auf einmal glaube, die Einfälle produzieren zu müssen, die der Film mir bisher im Überfluss aufgezwungen hatte und jetzt plötzlich vorenthält. So wie man, wenn das Gegenüber nach einem langen Gesprächsbeitrag schweigt, sich aufgefordert fühlt, nun doch bittschön selbst mal was zu sagen.

Einer dieser Einfälle war der, dass diese Leute mit ihrem Spleen etwas von den Gestalten haben, die man aus Kiarostami-Filmen kennt und dass dieser Film daher auch etwas mit Kiarostamis Filmen zu tun haben müsse. Man kann aber an dieser Kiarostami-Assoziation studieren, dass es nicht automatisch gut sein muss, wenn einem zu einem Film etwas einfällt. Im Gegenteil. Die Bilder aus den Kiarostami-Filmen, an die ich mich erinnerte, waren für das Nachdenken über UMUT überhaupt nicht hilfreich. Diesem Kiarostami-Einfall gegenüber musste ich mich verhalten wie gegenüber einer lästigen Fliege, die sich mit sicherem Instinkt immer dort niederlässt, wo sie besonders stört.

Ich war deshalb dankbar, als der Droschkenfahrer beginnt, einen großen Kreis aus Steinen neben dem Baum auszulegen. Er benutzt seinen Daumen wie eine Wünschelrute, und die bisher eher folkloristische Musik wird von einer türkischen Krautrockvariante abgelöst. Vielleicht lag es an dieser Musik, vielleicht an der Art, wie dieser Steinkreis und der mit der Spitzhacke arbeitende Mann gefilmt sind, jedenfalls ist dieser Film von 1970 plötzlich ganz woanders als bisher, er hat sich vollständig gelöst von der Zeit, der Geografie und der sozialen Realität, die seine erste Hälfte bestimmte. Statt an Kiarostami dachte ich jetzt an Robert Smithson und Jan Dibbets und an die Earth Art Ausstellung, Cornell University, Ithaka 1969. Erdmassen, die bewegt werden, Wahrnehmung von Landschaft als potentieller Skulptur. Mit einem Schatz hatte dieses Loch nichts mehr zu tun, es war ein Beitrag zu etwas ganz anderem als der Erzählung dieses Films oder der Filmgeschichte.

Dass dieser Gedanke nicht weit führt und mit Recht als herbeigeholt bezeichnet werden kann, ist unerheblich. Mir rettete er in diesem Moment Güneys Film, denn einen solchen Schizo-Spagat zwischen neorealistischem Melodram und hochabstrakter türkischer Land-Art Adaption hatte ich in dieser Form noch nicht gesehen.



Donnerstag, Mai 03, 2007
Veranstaltung

8. Mai 2007, Akademie am Hanseatenweg 10, 10557 Berlin, 19.00 Uhr, Kunst und Öffentlicher Raum – Beispiel Filmkritik: Journalismus und Public Relation in den Medien – mit Rainer Rother, Heike Melba Fendel, Andres Veiel, Günter Rohrbach, Jan Schulz-Ojala, Anke Zindler, Gregor Schwering, Ulrich Greiner, Rüdiger Suchsland und Claudia Lenssen



Sonntag, April 29, 2007
Kino-Hinweis

"Der Film ist damals (1999) völlig zu unrecht sowohl in Frankreich als auch in Deutschland ziemlich untergegangen. Hauptgrund dürfte sein, dass er nicht in die Schublade 'französischer Film' passt und die Inhaltsangabe sich nach langweiligem, uncoolem Sozialdrama anhört - aber weit gefehlt: Es ist einer der spannendsten, poetischsten Filme der 90er und müsste in einer Reihe stehen mit den besten Dumonts und Dardennes. - Der Vergleich hinkt etwas. Vermillard ist viel undogmatischer, hat viel mehr Humor und Tempo. Die Laien/Schauspieler-Besetzung ist großartig und die Autorin macht ihre Figuren nie zu Opfern, sondern zu einzigartigen, überraschenden Individuen."

Sagt Ulrich Köhler, der den Film morgen abend in der Reihe "Mein Film" im Central zeigt:

LILA LILI
F 1999
Regie: Marie Vermillard
Central Berlin, Rosenthaler Straße 39
30. April
20.00 Uhr



Donnerstag, April 26, 2007
Helmut Färber zum Geburtstag

Heute vor 70 Jahren, "am Tag des Bombardements von Guernica", wie er in der Rubrik "Lebensläufe" in der 100. Ausgabe der Filmkritik schrieb, wurde Helmut Färber in München geboren.

Der Text geht so weiter: "Meine Eltern sind Kaufleute. In Regensburg bin ich aufgewachsen, und dort habe ich auch eine polytechnische Erziehung erlebt. Realgymnasium bis 1955, danach, sehr instruktiv für den Höheren Schüler, vier Jahre als Arbeiter. 1958 Buchdrucker-Gehilfenprüfung, 1960 nachgeholtes Abitur. Seit dem Winter 1969/61 in München Studium vor allem der deutschen Literatur und der Kunstgeschichte, letzteres bei Hans Sedlmayr, der aufgrund von Vorurteilen oft mißverstanden wird, und bei Ernst Strauß. Bildungsreisen in die DDR. Filmische Anregungen danke ich den emser Filmtreffen und den Jugendfilmclubs. Vereinzeltes in verschiedenen Zeitungen, u.a. in der Kultur und der Anderen Zeitung. Seit Sommer 1962 Filmkritiken in der Süddeutschen Zeitung, seit November 1962 in der Filmkritik."

Die Publikation dieser autobiographischen Zeilen liegt mehr als 40 Jahre zurück. Seitdem hat Helmut Färber an der HFF in München und der Berliner DFFB gelehrt, mehrere Fernsehsendungen für den WDR hergestellt und zahlreiche weitere Texte verfasst, die in vier selbstverlegten Büchern, in der Filmkritik, in den letzten Jahren auch in der französischen Zeitschrift Trafic erschienen sind.

Über Färbers Arbeit kann man hier etwas lesen; hinzugekommen ist inzwischen das schöne Buch zu Ozus "Soshun" (new filmkritik, Eintrag vom 2. Februar 2006).

In einer Broschüre des gerade stattfindenden portugiesischen Filmfestivals "indie lisboa" ist - auf englisch und portugiesisch - ein Text Färbers mit dem Titel "Ideas for a manifesto" zu lesen, und in der Einleitung wird er als "the most influential critic in Germany" bezeichnet; das ist eine überraschende Fremdwahrnehmung, die mir sehr gefällt.

Zum Geburtstag eine Probeaufnahme von den Dreharbeiten zu PARTIE DE CAMPAGNE: der grüßende Jean Renoir knapp ein Jahr vor Färbers Geburt.




Sonntag, April 22, 2007
* Langtexthinweis

Warum ich keine "politischen" Filme mache von Ulrich Köhler



Donnerstag, April 19, 2007
Vorfreude



Omaggio a Roberto Rossellini (2. Mai 2007 bis 30. Juni 2007, Arsenal)



Samstag, April 14, 2007
From Apichatpong Weerasethakul

Dear All,

Regarding the censorship of my film. I am glad in a way that it is leading to a very important step for our cinema.
Please kindly forward to the ones you think have relevant interest in this issue.
Thank you very much.

www.petitiononline.com/nocut/petition.html



Mittwoch, April 11, 2007
Etliches am Wochenende: Helmut Färber und das Kino

Der Filmsamstag zeigt am 14. April 2007 um 18 Uhr (Babylon-Mitte Studiokino Rosa Luxemburgstr.30 10178 Berlin) unter dem Titel "Helmut Färber und das Kino" Fernsehsendungen von Helmut Färber für den WDR, Redaktion Werner Dütsch.

Etwas über A Corner in Wheat (Filme von D. W. Griffith aus dem MoMA, NY) 1983 26'30
Stroheim zum Gedenken 1985 11'55
Drei Minuten in einem Film von Ozu 1988 15'15
Dr. Cordelier und Professor Alexis. 2 x Jean Renoir 1989 19'21

Alle Beiträge werden in Betacam auf die Kinoleinwand projiziert

Außerdem auf Wunsch von Helmut Färber:
Färblein von Bärbel Freund, Rainer Bellenbaum BRD 1990/92 21' 16mm

*


"Der Filmsamstag im April ist Helmut Färber gewidmet, der dieses Jahr seinen 70. Geburtstag hat. Ich kenne ihn, seitdem er mein Filmlehrer an der Hochschule in München war. Jeden Freitag, von morgens bis nachmittags, galt es, wie Jean-Marie Straub es ausdrückt, 'Augen und Ohren zu waschen'. Oberflächlicher Geschmack hatte keine Chance. Am Schneidetisch spulte er den Film in normaler Geschwindigkeit zurück und nicht im Schnelldurchlauf.

Heute höre ich immer dann von ihm, wenn er ein Buch im Eigenverlag herausbringt, eine Fernsehsendung, die er unter dem Schirmschutz von Werner Dütsch gemacht hatte, wieder zu sehen ist oder er einen Vortrag hält. All diesen Arbeiten liegt eine Geisteshaltung zugrunde, die der Ungeduld eine klare Absage erteilt. In der zweibändigen Buchausgabe Das Leben der Frau Oharu (Saikaku ichidai onna) gibt er textlich (zusammen mit anderen Preziosen) die Bildeinteilung und Dialoge, fotografisch die Bild für Bild Reproduktion des Films von Kenji Mizoguchi wieder. Um zu dem vorliegenden herausragenden Ergebnis zu gelangen, wurde Helmut Färber zum Papierforscher. Er experimentierte mit den verschiedenen Materialien, bis er das Bestmögliche gefunden hatte. Es ist eine Symbiose von Buchdruckkunst und Kinematografie. Das Können der einen wird der anderen im gegenseitigen Wechsel zum Vorbild gesetzt, zur Verfügung gestellt. Um einer klaren Aussage willen. Der Leser stößt auf Wesentliches, Sinnliches, hervorgerufen durch die Behutsamkeit und Gewissenhaftigkeit des Autors.

Seine Fernsehbeiträge sind ebenfalls konkrete Vorschläge, wie Kinobildung aussehen könnte. In Dr. Cordelier und Professor Alexis. 2 x Jean Renoir kombiniert er zwei Filme von Jean Renoir, beide 1959 gedreht und mit ähnlicher Thematik: natürliche Liebe versus Labordroge bzw. künstliche Befruchtung. Drei Minuten in einem Film von Ozu untersucht die Architektur der Fahrradsequenz von Noriko und dem Assistenten des Vaters aus Spätfrühling (Banshun).

Filmwissenschaftler seines Formats gibt es in Deutschland nur ganz wenige. Seine Art und Weise der Filmrezeption orientiert sich mehr an der cinephilen Leidenschaft und Tradition französischer Couleur. Das macht Sinn, wenn man den rabiaten Einbruch des Kinos bei uns durch den Nationalsozialismus zu bedenken gibt.

So ist Helmut Färber für manche unentbehrlich, andere nehmen keine Notiz von ihm. Er besitzt die Fähigkeit, Film spürbar zu machen. Dadurch macht er ihn bewußt. Bei ihm in die Schule zu gehen, bedeutet für zukünftige Regisseure, sich nicht von gängigen Moden manipulieren zu lassen, sondern Altes im Neuen zu erkennen, das Große des Kleinen schätzen zu lernen. Auf seinen Wunsch hin zeigen wir auch Färblein von Bärbel Freund und Rainer Bellenbaum in diesem Programm." (Karl Heil)



Etliches am Wochenende: kolik.film

Die österreichische Filmzeitschrift "kolik.film" hat mit einem Teil ihrer Redaktion ein Gastspiel im Berliner Arsenal. Zu den bisher erschienenen 7 Ausgaben werden, jeweils eingeführt von Leuten, die in der Zeitschrift mehr oder regelmäßig schreiben, 8 Filmprogramme, darunter SANG SATTAWAT - SYNDROMES AND A CENTURY (Österreich/ Thailand/F 2006) von Apichatpong Weerasethakul, David Lynchs INLAND EMPIRE (USA/Polen/ Frankreich 2006) und MUTUAL APPRECIATION (USA 2005; Andrew Bujalski). Die Filme laufen von Donnerstag abend bis Sonntag abend, Wiederholungen Ende April. Auch eine Diskussion zum "Schreiben über Film" wird stattfinden. Nähere Informationen zu alldem hier.



Montag, April 09, 2007
Demnächst (cont.)

Ein Nachtrag zu Rainer Knepperges' in der letzten SigiGötz Entertainment-Ausgabe erschienenem Text "Demnächst", der nicht realisierte Projekte und deren Ankündigungen zum Inhalt hat:

"Es ist bekannt, daß Bresson seit über zwanzig Jahren daran arbeitet, ein Vorhaben zu verwirklichen:
LA GENÈSE, Film nach den ersten Kapiteln des Buches Genesis, vom Anfang der Welt bis zum Bund Gottes mit Noah nach der Sintflut und wohl bis zum Turmbau von Babel.
Durch alle Jahre vergeblich.
Auch Jack Lang hat als Kultusminister vergeblich versucht, eine Finanzierung zu finden.
Jetzt aber ist zu erfahren, daß es für das Projekt einen Produzenten gibt und alle Mittel, die Bresson dafür braucht.
Der Film, sagt Bresson, sei schwierig zu drehen, wegen der vielen Tiere."

[mit Schreibmaschine geschriebener Text am Ende von Helmut Färbers Sendung "Robert Bresson zum 80. Geburtstag", Redaktion Werner Dütsch, WDR 1987]




Dienstag, April 03, 2007
* mittellangtexthinweis

Ein Mittellangtext zum ersten Film der Naruse-Reihe im Arsenal.




Freitag, März 30, 2007
nochmal Depardon

Noch bis Sonntag in Berlin zu sehen im Museum für Fotografie in der Jebensstrasse neben dem Bahnhof Zoo:
Raymond Depardon: VILLES / CITIES / STÄDTE. Film und Fotografie

Die Ausstellung besteht aus einer Videoinstallation mit 12 auf grossen Screens projizierten jeweils etwa 5 Minuten langen Filmschleifen. Ein Meditationsraum, eine dunkles halb renoviertes ehemaliges Offizierskasino. Zu sehen: Eine Einkaufsstrasse in Dubai, ein Busbahnhof in Addis Abeba, Times Square in New York, Aussichtspunkte an der Copacabana und in Schanghai, Strassenecke in Buenos Aires, U-Bahnausgang in Moskau, La Defense in Paris. Stumm, touristischer Blick, Auschluss jeden Kunstwollens. Man sieht eigentlich nichts und in diesem Nichts alles. Hochpolitisch. Der Berliner Film ist ein schockierender Ausblick auf den Zustand unserer Gesellschaft im Jahre 2030 (courtesy of demography). Wer die schlecht gelaunten Rentner am späten Vormittag eines Septembertages auf dem Bahnsteig des S-Bahnhofs Alexanderplatz gesehen hat, tritt auf der Stelle ein für eine Verdreifachung des Kindergeldes und die sofortige und bedingungslose Öffnung sämtlicher Aussengrenzen. Die schöne, ebenso beiläufige Fotoreihe im Raum nebenan erzählt zum Glück auch eine andere Geschichte.






Mittwoch, März 28, 2007
Talladega Nights: The Ballad of Ricky Bobby (Adam McKay) USA 2006

Die Evolution der amerikanischen Komödie im Herzen der Industrie geht in eine neue Runde. Nach der Konsolidierung von Stiller/Wilson/Anderson/Farrellys/Hess: Das Skelett eines Buddy-Movies, NASCAR fahrend und superschwul-europäisch. Der Film hat ein vollkommen abstraktes Verhältnis zu den temporalen Routinen des Genres. Konzeptkunstartiger lässt sich kein Unfalltrauma in eine filmische Zeitökonomie übertragen. Ferrell spricht das vermutlich längste Tischgebet seit Il Vangelo secondo Matteo und schließt in seiner pragmatischen Religiosität direkt an den funeral crasher an. Ein Genre zerlegt sich in aller Ruhe auf einem Superspeedway. Jean Girard: "You taste like America" - Ricky Bobby: "Thank you!". Talladega, Alabama - where pride is our heritage, achievement our goal.



Dienstag, März 27, 2007
Rob Tregenza, Artavazd Peleshian



Sonntag, März 18, 2007
Faszinierend gestern Abend, wie gut gelaunt Klaus Biesenbach durch die von ihm zu verantwortende Ausstellung "Fassbinder: Berlin Alexanderplatz" lief, deren konzeptuelles Niveau von den gänzlich kunstfernen Bemühungen der Dauerausstellung des Filmmuseums am Potsdamer Platz souverän überboten wird. Vielleicht darf man aber auch einfach nur nicht den Fehler machen, den Installation gewordenen Scherz Ernst zu nehmen. Der Macher jedenfalls hat sich erfreulicherweise einen gut abgehangenen Sinn für Humor bewahrt, wie der rezeptionspädagogische Paratext der Ausstellung beweist: "Sie können sich die extrem lange Dauer des Films individuell einteilen, sich Folgen erneut anschauen oder die Ausstellung mehrfach besuchen."



Dienstag, März 13, 2007
langtexthinweis

* Michael Baute: Februar 07



Montag, März 05, 2007
Nouvelle Vague Allemande: more



"Ich mag ja den Ausdruck 'Nouvelle Vague Allemande' lieber [als 'Berliner Schule']"

Christian Petzold, Berlinale Presse-Konferenz zu YELLA

gesehen auf: Babylon Berlin [Mitte]



Samstag, März 03, 2007
Im Film im Fernsehen

Viermal ist in Raymond Depardons Film SAN CLEMENTE (F 1982) der Fernsehapparat im kargen Aufenthalts- und Essraum der psychiatrischen Anstalt zu sehen.

Beim ersten Mal läuft ein amerikanischer Western, ein Pferd bäumt sich auf, vielleicht ist es verletzt, ein zweites Pferd steht daneben, ein Cowboy den beiden Tieren gegenüber. Er zögert kurz, dann ist ein Schuss zu hören. Man sieht aber nicht mehr, wohin der Schuss abgefeuert wurde.

Beim zweiten Mal ist das Fernsehen zunächst im Off, wir hören nur den Ton, der ebenso gut aus einem anderen Raum der weitläufigen, auf einer Insel vor Venedig gelegenen Anstalt kommen könnte. Jemand spricht ein Gebet, in dem er dazu auffordert, sich zu bedanken. Beim Staatspräsidenten, bei den Sicherheitskräften, bei allen Gendarmen und Carabinieri, aber auch bei denen, die seinen Vater ermordet haben. Als die Kamera hochschwenkt auf den Fernseher und damit das Gesprochene als etwas anderswohin als in diesen Aufenthalts- und Essraum Gerichtetes erkennbar macht, erinnern die Bilder an die vom Staatsakt für Hanns Martin Schleyer. Ich musste an Aldo Moro denken, aber der wurde bereits 1978 ermordet.

Als das Fernsehen zum dritten Mal zu sehen ist, läuft wieder ein amerikanischer Film. Es ist nicht gut zu erkennen, worum es geht, aber es sieht aus, als seien da Gefängniszellen und Leute, deren Schlagstöcke außen an den Gitterstäben entlang rasseln. Wenig später wird Depardons Filmteam von einem Patienten gefragt, für welches Studio sie drehen würden: Paramount? 20th Century Fox? Warner? Ob der Fragende derselbe ist, der sein Radio wie ein Maschinengewehr umgehängt hat und immer Surfmusik hört, habe ich vergessen.

Die vierte Ferseh-Szene, die mit dem betenden Priester, ist kurz, aber das, was er über das Blut des Herrn sagt, greift hinaus auf die Bilder vom kühlen langen Gang, in dem die Leute auf- und abgehen, von rätselhaft-unsichtbarem Beschäftigungseifer gelenkt.

***


In Thomas Heises VOLKSPOLIZEI (DDR 1985/BRD 2001) läuft auf dem Revier zweimal der Fernseher. Einmal wird ein Eishockeyspiel zwischen der DDR und den USA übertragen. Es steht 5:3 für die USA, und ich finde es unglaublich, wie man jetzt mit einem Suchbefehl herausfinden kann, dass die Aufnahme demnach am 24. April 1985 gemacht worden sein muss, dass das Spiel in Prag stattfand und schließlich 5:5 ausging, dass die USA schließlich, nach Abschluss der WM am 3. Mai, auf dem 4. Platz landeten und die DDR gleich hinter der BRD auf dem 8.

Später sieht man eine leicht bekleidete Frau, die ihrem ebenso leicht bekleideten Partner ins Ohr haucht, wie schön es war und dass sie vorher noch nie einen Höhepunkt gehabt habe. Der Gesichtsausdruck des Volkspolizisten, der im Gegenschuss gezeigt wird, ist schwer zu beschreiben, hat aber wohl etwas mit Sehnsucht zu tun. Im erstaunlich vollen Kinosaal lachen an dieser Stelle viele, aber das Lachen wird von der Schönheit des Moments zurückgewiesen und fällt vor der Leinwand schlaff in den Zuschauerraum.

Es gibt in diesem Film außerdem eine irritierende Sequenz, die mir wie eine real existierende Traumsequenz vorkam. Diesmal ist kein Fernsehapparat zu sehen, sondern der Frühstücksraum des Volkspolizeireviers in der Brunnenstraße. Es sitzen mehrere Polizisten in Uniform um den Tisch herum. Einer von ihnen hat seinen Kopf auf den Tisch gelegt. Er schläft, und gleich neben seiner Mütze liegen mindestens 20 Bananen.

Noch etwas zu VOLKSPOLIZEI: Die Merkwürdigkeit der Anreden. Da sind die "Genossen", aber dieser Begriff ist für diejenigen reserviert, die in der Partei sind. Die anderen werden, für mich überraschend, fast immer als "Bürger" angesprochen. Zwar ist in diesem Begriff des Bürgers das Bürgerliche, gegen das sich die DDR als ganze entwarf, fast vollständig getilgt, aber erstaunlich bleibt es doch, dass man sich keinen anderen Begriff ausdachte. Andererseits hätte man die Deutsche Reichsbahn nach 1949 ja vielleicht auch nicht unbedingt weiterhin Deutsche Reichsbahn nennen müssen.



Freitag, März 02, 2007
* SigiGoetz Entertainment



Donnerstag, März 01, 2007
Kino-Hinweis

[Boogie Doodle, USA 1940]


Im März im Arsenal: Filme von Norman McLaren.
Insgesamt 9 Programme, davon eines auf 35mm, die übrigen leider auf DigiBeta.

Heute, 21.00 Uhr: The Best of Norman McLaren (Wiederholung 4.3.)



Mittwoch, Februar 28, 2007
Männerphantasien

"So ein Oscar", staunt Florian Henckel von Donnersmarck, "das ist schon etwas Phallisches". Er wiegt die glänzende Goldstatuette in der Hand, befühlt sie, hebt sie hoch, kann den Blick kaum von ihr wenden. "Die symbolisiert Manneskraft." Und dann lässt er sie tatsächlich rumgehen, damit sie jeder mal anfassen kann. "Ganz schön schwer, was?"

***


"Da mit meiner Frau zu sitzen, die mir immer die Stange gehalten hat."

***


"Wir sind Weltmeister!", ruft er, seinen Oscar in die Luft schwenkend.

***


"Sechs Jahre lang war ich im Kampfmodus", beschreibt er heiser seinen Weg hierher und drückt seine schwangere Frau Christiane dabei fest an sich. "Jetzt, glaube ich, kann ich erst mal aufhören, zu kämpfen."

***


"Es ist etwas ganz Besonderes, einen Oscar für sein Land zu gewinnen. In Friedenszeiten schaffen das sonst wahrscheinlich nur Sportler - oder der Papst. Deutschland liegt auf Weltniveau. Und das haben wir auch mit diesem Oscar bewiesen."

***


"Mir kam es so vor, als ob mein Leben da erst echt geworden wäre", versucht er die Gefühle jener Minuten zu beschreiben.

***


Trotz seiner ungezwungenen Art ist das alte schlesische Adelsgeschlecht nicht zu übersehen, von dem er abstammt. Als er von der wohltätigen Stiftung seiner Familie spricht, schwingt Stolz in der Stimme mit.

***


Jetzt wird Florian Maria Georg Christian Henckel von Donnersmarck selbst das Leben eines Anderen führen.



Montag, Februar 26, 2007
Preisverleihung

"Der 2,06 Meter große Sohn eines Lufthansa-Managers, der aus einer alten Adelsfamilie stammt, wuchs in New York, Berlin, Frankfurt und Brüssel auf. In Leningrad erwarb er die Lehrbefähigung für die russische Sprache." (FAZ)

***


Aber zu etwas Wichtigerem: Pascale Ferrans Film "Lady Chatterley", der zu den drei bis fünf schönsten Filmen gehört, die ich auf der Berlinale gesehen habe, hat 5 Césars gewonnen: Marina Hands für ihr Schauspiel, Marie-Claude Altot für die Kostüme, Julien Hirsch für die Kameraarbeit, Pascale Ferran, Roger Bohbot und Pierre Trividic für die Adaption, außerdem Ferran für den besten Film. Man muss von solchen Preisen nichts halten (obwohl ich mich vor Jahren bei "L'esquive" auch drüber gefreut habe); entscheidend ist aber wohl, dass Ferran, die vorher große Schwierigkeiten hatte, ihre wenigen Filme zu finanzieren, jetzt weitermachen können wird. Im Gespräch in den November-Cahiers sagte sie, nach den nächsten Projekten gefragt: "Die Produktionsverhältnisse in Frankreich sind so, dass ich ich zum ersten Mal das Gefühl habe, dass es ganz davon abhängt, wie der Film ankommt. Könnte ich von einem Film auf DV träumen, mit dem großen Luxus, den eine extreme Armut erlaubt? Oder darf ich mir etwas vorstellen, das etwas teurer ist?"



Samstag, Februar 24, 2007
Because of wayward activity: Many things









– ... and it's because of wayward activity, activity based upon unproductive thinking, Bob meets Mr Redman.
– It's a good title.

[...]

– Where's the setting? Are they indoors or out?
– Aaah, they might be in a room——
– Yaahh———

[...]

– ... and this one looks built up too—
– Ja, there's different things in there
– Ja——
– It's real money in it——
– Oh, interesting!
– "Bob burns tree"
– Is there anything embedded in that one?
– Many things.
– Ahhhh——

David Lynch talks to Kristine McKenna, eCahiers



Freitag, Februar 23, 2007
Langtexthinweis

* Daniel Eschkötter: Berlinale 2007 - Nachträgliche Notizen



Fernsehhinweis

Eine Stadt wird erpresst (Dominik Graf, Deutschland 2006)
Heute, 20:40, arte



Dienstag, Februar 20, 2007
Kino-Hinweis

Übermorgen beginnt im Zeughaus-Kino eine Filmreihe mit dem Titel "Kunst des Dokuments - Institutionen".

Zum Auftakt am 22.2. (20.00 Uhr) Raymond Depardons Film SAN CLEMENTE (F 1982) über eine psychiatrische Klinik, außerdem im weiteren Verlauf Filme von Frederick Wiseman (BASIC TRAINING; USA 1971), Thomas Heise (DAS HAUS; DDR 1984 und VOLKSPOLIZEI; DDR 1985/D 2001), Basil Wright (CHILDREN AT SCHOOL; GB 1937, NIGHT MAIL; GB 1936), William Coldstream (FAIRY ON THE PHONE; GB 1936) und Cristóbal Vicente (ARCANA; CL 2005).



Sonntag, Februar 18, 2007
Auflistung der 119 Texte, die Uwe Nettelbeck zwischen März 1963 und Mai/Juni 1973 in der Zeitschrift Filmkritik veröffentlicht hat



[Aus: Filmkritik. Register der Jahrgänge 1957-1974, München: Verlag der Filmkritiker Kooperative 1975. Das Register erstellte Franz-Josef Knape. Abkürzungen: K = Kritik; KK = Kurzkritik]



Donnerstag, Februar 15, 2007
Berlinale 07 (IX)

Vor YELLA (Petzold, 2007) in der Urania eine große Menschentraube. Mit anderen, denen ebenfalls blaue Prekariatsplaketten um den Hals baumeln, postieren wir uns am rechten Eingang zum geräumigen Humboldtsaal; mal kucken, ob nach den Kartenbesitzern noch was geht. Gegen das Drücken und die beunruhigten Nachfragen einiger beflissen Einlasswilliger äußert die überforderte Türhüterin die schöne Drohung, sie werde uns "gleich alle nach Hause schicken". Dieser rührend hilflosen Aufforderung leisten wir gern Folge und radeln beschwingt zurück nach Kreuzberg.



Mittwoch, Februar 14, 2007
Berlinale 07 (VIII)

WOLFSBERGEN.
(Leopold, 2007)

15.02. 10:00 CineStar 8 (engl. UT)
16.02. 20:00 Cubix 9 (engl. UT)
17.02. 15:00 Arsenal 1 (engl. UT)

Judge for yourself.



Dienstag, Februar 13, 2007
Berlinale 07 (VII)

Nach ihrem Film DEUX FOIS, gedreht im September 1968, erzählt Jackie Raynal noch einmal die Geschichte der Öl-Erbin Silvina Boissonas, durch deren Finanzierung die Filme der Zanzibar-Gruppe (wahrscheinlich die einzige Underground-Filmbewegung, die durchweg auf 35mm drehen konnte) möglich wurden. Boissonas, das hatte Patrick Deval vor einer Weile nach seinem Film ACEPHALE gesagt, saß immer Samstags im Restaurant La coupole am Boulevard Montparnasse. Man ging dann dort vorbei, schilderte ihr die Idee für einen Film, und wenn es ihr gefiel, schrieb sie einen Scheck aus. Jetzt, beim Sprechen über Boissonas, sucht Raynal nach einem Vergleichspunkt und sagt, das sei ungefähr so wie, na, sag schon - sie sucht nach einem Namen oder Begriff, der ihr zunächst nicht einfällt. Es entsteht eine kleine Pause, und für einen Moment lang ist es unentschieden, ob sie die Namen von Marie-Laure und Charles de Noailles sucht oder gleich mit starkem französischem Akzent sagen wird: Bundeskulturstiftung.



Berlinale 07 (VI)

Auf der Berlinale läuft TOUT REFLEURIT (Gerbault, 2006), ein Film über Pedro Costas Arbeit an JUVENTUDE EM MARCHA.

Costas Film wird heute abend auf arte ausgestrahlt:

JUGEND VORAN!
13.2.2007
22.45 Uhr
arte



Montag, Februar 12, 2007
Berlinale 07 (V)

Was mir außer THE PATSY (Vidor, 1928) gestern gefiel: Wie wir abends auf den überfrorenen Straßen zu der angenehmen Party eines Filmmagazins radelten, das sich den Spruch "Kino muss gefährlich sein" auf die Fahnen geschrieben hat. Der Satz war mir immer nebulös geblieben, angesichts der spiegelglatten Fahrbahnoberfläche konnte ich mir zum ersten Mal etwas darunter vorstellen.



Sonntag, Februar 11, 2007
Berlinale 07 (IV)

Nachmittags wurden wir auf dem PRATER (Ottinger, 2007) durchgeschüttelt, in der Geisterbahn erschreckt, mit der Schleudersitz-Kapsel in den Himmel geschossen und ins Wiener Wildwasser getaucht, abends dann, in IT (Badger, 1927), gehen Clara Bow und der von ihr geköderte Warenhausbesitzer, in dessen Kurzwarenabteilung sie hinter dem Tresen steht, an den Strand, was hier soviel heißt wie: nach Coney Island auf den Rummel, in dessen Maschinenpark es mir besonders ein zentrifugal organisiertes Gerät angetan hat, aus einer großen Holzplatte bestehend, auf der die Abenteuerlustigen Platz nehmen und durch die akzelerierende Rotation langsam aber sicher an den Rand geschoben werden, um schließlich unter großen Johlen von der Scheibe herunterzufallen; wie oft in dem Film überträgt sich der Spaß ganz unmittelbar auf das Publikum, wozu sicher auch beiträgt, dass das Gerät den wunderbaren Namen "Social Mixer" hat.



Berlinale 07 (3)

* ... lesen Sie bitte auch: Solange es Menschen gibt



Samstag, Februar 10, 2007
Reklame



VOLKER PANTENBURG: Screen Tests: 100-Worte-Texte zum Kino, Koeln 2007. 13,8 x 20,4 cm. 36 Seiten, brosch., Preis 5,-- Euro inkl. Versand (im Ausland 4,15 Euro + Porto). Der Versand erfolgt ohne Vorkasse mit Rechnung.
*

"Der Entschluss, über einen Film exakt 100 Worte zu schreiben ist ebenso sinnvoll oder sinnlos wie der, einen Roman zu verfassen, in dem der Buchstabe "e" nicht vorkommt. In beiden und in vielen anderen Fällen spannt die kontingente Regel einen Rahmen auf, und dieser Rahmen schreibt mit am Text, der ohne ihn anders aussähe. Etwas über ein Jahr lang habe ich über jeden Film, den ich gesehen habe, einen 100-Worte-Text geschrieben. Eine Auswahl von 70 Texten ist in dieser Ausgabe von 'flypaper' abgedruckt. Für mich sind es Gedächtnisstützen, aneignende Versuche, beiläufig-zentralen Leinwandeindrücken eine Form zu geben: Screen Tests." (Volker Pantenburg)
*

FLYPAPER, herausgegeben von Lutz Becker und Uwe Koch, sind essays on demand, die per e-mail bestellt und per Post zugesandt werden. Sie sind einzeln oder als Abonnement unter Angabe der Lieferadresse zu beziehen unter: flypaper[at]t-online.de / Bisher: #1 - Dan Perjovschi / #2 - Tom Holert




Donnerstag, Februar 08, 2007
Berlinale 07 (II)

Sur ma Remington portative
J'ai écrit ton nom Lætitia
Elaeudanla Teïtéïa
Lætitia les jours qui se suivent
Hélas ne se ressemblent pas
Elaeudanla Teïtéïa

C'est ma douleur que je cultive
En frappant ces huit lettres-là
Elaeudanla Teïtéïa
C'est une fleur bien maladive
Je la touche du bout des doigts
Elaeudanla Teïtéïa

S'il faut aller à la dérive
Je veux bien y aller pour toi
Elaeudanla Teïtéïa
Ma raison en définitive
Se perd dans ces huit lettres-là
Elaeudanla Teïtéïa

Sur ma remington portative
J'ai écrit ton nom Lætitia
Elaeudanla Teïtéïa
Elaeudanla Teïtéïa

Serge Gainsbourgs Lied Elaeudanla Teïtéïa lernt Serge Riaboukine in Martin Rits Kurzfilm LA LECON DE GUITARE. Der Film hat es uns angetan (hier, hier und hier), und jetzt ist er im Berlinale Kurzfilm-Wettbewerb zu sehen. Die erste von acht Möglichkeiten dazu gibt es morgen:

9. Februar
19.00 Uhr
CinemaxX 3.



Berlinale 07 (I)
Mein Zuhause ist die Bäckerei,
bei der dicken Bäckerin bin ich dabei,
da gibt es viele Teilchen,
auf der Theke ist was los.


(Helge Schneider)


Die beiden betreten den Laden des Pâtissier Traiteur "Stohrer", 51, rue Montorgueil im 2. Arrondissement, Paris

DK: Ja, das ist natürlich nicht nur eine Bäckerei, sondern das ist...
GvB: Toll, oder?
DK: Das ist ein Kunstwerk.
GvB: Aber was empfinden Sie, wenn Sie in eine Bäckerei gehen?
DK: Ja, das erste, was ich empfinde, gerade jetzt hier, wo ich stehe, ist natürlich, dass ich es rieche. Also das ist so, sage ich mal, das Gefühl vom Amateur-Parfümmeister, der aber riecht, und ich rieche den, den Kuchen hier, diesen wunderbaren Kuchen, und vor allen Dingen hier - es gibt ja hier etwas, was es sonst nirgendwo gibt, das heißt "Puits d'amour", das Liebeskissen...*
GvB: Ja, ja, ja, ja, ja...

Die Kamera folgt DKs Zeigefinger und filmt die Teigware im Close Up.

DK: Das hier. Entweder man liegt da drauf, wenn man sich liebt, oder man liebt sich anschließend, wenn man es gegessen hat oder man isst es nach der Liebe...
GvB: Oder man liebt das Essen!
DK: Dann natürlich hier: Das Brioche, jetzt auch wieder bekannt geworden durch den Film MARIE ANTOINETTE.

Loungige Zwischenmusik, während die Kamera über die Briocheauslage fährt.

DK: Ich kenn mich mit Backwaren sehr gut aus, ich bin als kleines Kind in der Bäckerei groß geworden. Also nicht meine Eltern waren Bäcker, sondern in dem Haus war eine Bäckerei. Meine Mutter, als die morgens in die Fabrik ging um 6 Uhr, hat mich dort abgegeben als Schlüsselkind. Nicht so wie heute in der Disko, wo man da was dranhängen hat, sondern das war der Schlüssel, der Hausschlüssel. Und ähm, ja, dort hab ich das gerochen. Das war in Baden Württemberg, da gab es frische Brezeln und da gab es frisches Brot jeden Morgen, das wurde gebacken, das wurde reingeschoben, wieder rausgeholt, und das hat mich immer fasziniert, bis heute. Und eigentlich wollte auch in Wahrheit immer Bäcker werden, das war immer meine große Leidenschaft. Ich geh auch heute noch rum. Ich guck auch immer, wenn ich irgendwo bin: Wo ist ein guter Bäcker? Und - wenn ich hier so'n Guglhupf sehe, oder vor allem hier dieses Brioche.
GvB: Hm.
Dieses Brioche ist für mich wirklich, ähem, optisch-erotisches...

DK macht kreisende Bewegungen mit der rechten Hand.

...und geschmacklich unglaubliches Gebäck. Also es ist...
GvB: Bei diesem Thema geht es ja nicht nur um Gebäck, sondern - wenn Sie erlauben, ähm -

GvB blickt philosophisch nach rechts aus dem Bildkader heraus.

...auch um die Erotik von Bäckerinnen durchaus.
DK (schmunzelnd): Viele mögen diese sauberen Bäckerinnen, also diese mit den weißen Schürzen, wie Sie sagen, und immer frisch gewaschen und sie riechen und sehen auch so'n bisschen aus wie so'n Brioche. Also je nachdem wie sie aussehen, aber man könnte sie vergleichen mit vielen dieser wunderbaren Gebäcke und dieser Backwaren. Und es gibt ja auch diesen unglaublichen Film von Pagnol...
GvB: LA FEMME DU BOULANGER - DIE FRAU DES BÄCKERS.
DK: Und dort sieht man ja, obwohl es ja ein tragischer Film ist, weil: Während der Mann backt, liegt seine Frau im ersten Stock und betrügt ihn mit dem Metzger, was natürlich schon tragisch ist.
GvB: Ich glaube, er steht ungefähr um 2 Uhr morgens auf, geht in die Backstube, dann so gegen 7 weckt er sie liiieebevoll mit einem frischgebackenen Striezel, der noch duuufftet, bringt ihn ihr ans Bett und weiß nicht, dass der Schäfer inzwischen bei der Frau war, zum Schäferstündchen.
DK: Dramatischer Film

GvB lacht.

DK: Der Schäfer war's, genau.
GvB: Ja, der Schäfer war's.
DK: Und dieser Striezel, den er da immer gebacken hat, das war ja immer von den Resten dieser verschiedenen Backwaren, und das ist wirklich ein Symbol der Liebe, und das sieht man in diesem Film...
GvB: (atmet geräuschvoll ein): Ja.
DK: ... wie jemand jemand lieben kann durch einen frischen Striezel. Und für mich als Süddeutscher kann man das glaube ich auch gar nicht anders ausdrücken.

* puits, m.: Born, Brunnen, Schacht

[Gero von Boehm begegnet Dieter Kosslick, 3sat, 5. Februar, 22.25 Uhr]

"Ich möchte experimentieren und wissen, ob man die Intensität solcher Interviews noch steigern kann", sagt Gero von Boehm, der sich "Big Talk statt Smalltalk" auf seine Fahnen geschrieben hat.



Mittwoch, Februar 07, 2007
Langtexthinweis

* Michael Baute: Dezember 06, Januar 07



Dienstag, Februar 06, 2007
* Nuri Bilge Ceylan > Photography

[via conscientious]



Samstag, Februar 03, 2007
Fernsehhinweis



ARD, 04.02.07, 20.15h
"Polizeiruf 110: Taubers Angst"



Dienstag, Januar 30, 2007
Wo Geschehen-Sein war, muss Ungeschehen-Machen werden.

: schreibt Ekkehard Knörer nebenan über "Déjà vu" von Tony Scott und setzt dieses "Gesetz des Zeitmaschinen-Films als Hollywood-Actionfilm" gegen das Gesetz des Detektivromans ("Wo Geschehen-Sein ist, muss Geworden-Sein werden"). Solche Sätze, die den Film zum Anlaß grundsätzlicher erzähltheoretischer Fragestellungen machen, lassen mich schon ungeduldig auf EKs Berlinale-Berichterstattung warten.

Auch sonst viel Bewegung bei jump-cut. Es gibt die schöne Idee, einen Tag vollständig aus 1440 Filmstills mit deutlich abgebildeten Uhrzeiten zusammenzusetzen (ich nehme mir die Freiheit, das Entstehende als "Minutenfilm" zu bezeichnen und vorzuschlagen, dass man die Stills anschließend im 60-Sekundentakt hintereinandermontiert und als 24 Stunden-Loop zeigt, allerdings nicht in einer Galerie oder einem Museum, sondern zuhause in der Küche, wo sonst die Uhr hängt). Außerdem die Serie "Stills", von der bislang zwei Teile ("Genèse d'un repas" und"All that Heaven Allows") existieren.




Dienstag, Januar 23, 2007
Uwe Nettelbeck
7. August 1940 - 17. Januar 2007


Uwe Nettelbeck. Geboren am 7. August 1940 in Mannheim, aber bald in die Nähe von Lindau, also nach Bayern verpflanzt worden. Von Sexta bis Quarta versuchte ich das Staatliche Gymnasium in Lindau, ab Untertertia das Landerziehungsheim Schule Birklehof in Hinterzarten, wo ich mich bona fide konfirmieren ließ. Zum drittenmal wollte man mich die Obersekunda nicht machen lassen, so wurde ich wegen schlechter Zeugnisse (sieben Fünfer und eine Sechs) und renitenten Verhaltens der Schule verwiesen. Man steckte mich wieder zwischen die lindauer Gymnasiasten, in die Untersekunda ungerechterweise. Nach ein paar Wochen und mehreren Direktoratsverweisen aber wurde ich wegen schlechter Leistungen und renitenten Verhaltens auch von dieser Schule verwiesen. Drei Monate Verlagslehre, danach vier Monate Unabhängigkeit in England und dann Eintritt in das neusprachliche Erziehungsheim Schule Schloß Louisenlund bei Schleswig, wo ich mich mit knapper Not bis zum Abitur (1961) über Wasser halten konnte. Zum Wehrdienst für untauglich befunden (Störungserscheinungen, Sehschwäche und Untergewicht), Aufnahme eines Studiums (Literaturwissenschaft, Soziologie) in Göttingen und Hamburg, das ich nach sechs Semestern und einer Seminararbeit abgebrochen habe. Noch während des Studiums Beginn der ständigen Mitarbeit in der Feuilleton-Redaktion der Zeit, Veröffentlichungen (Feuilleton, Literatur- und Filmkritik) seit Herbst 1962. Seit Heft 3/1963 ständige Mitarbeit bei Enno Patalas. Ein Festivalbericht für Film und eine Rezension für die Frankfurter Hefte, Arbeit für Rundfunk und Fernsehen. Verheiratet, eine Tochter. Anschrift: Hamburg 39, Gellertstraße 28.

[Filmkritik 4/1965, S. 237-238]



Donnerstag, Januar 18, 2007
Jasager

"Es ist ja häufig von einer Filmsprache die Rede, manche sprechen sogar von einer Grammatik. Wenn es eine solche gibt, müsste sich ihre Analyse vor allem mit den ihr zugrunde liegenden Schnittstrukturen befassen. Dass ein System dahinter steckt, ist augenfällig. Aber kann man so etwas Sprache nennen? Nein, denn es fehlt diesem System einer der wesentlichsten Bestandteile der Sprache, und das ist die Negation. In seiner simpelsten Ausprägung das Wort "Nein". Wohl kann es ein Darsteller aussprechen, aber es gibt kein Verfahren, es rein visuell auszudrücken. Das Kino ist ein Medium der Bejahung. [...]."

(Klaus Wyborny, FAZ 18.1.2007, S.34; siehe auch hier).



Mittwoch, Januar 10, 2007

Emmy, the donkey, Fred, Johnnie, Dallas, our Room, Guion, Texas, 2.3.1900

Gabriele Münter ist 21 als sie 1898 gemeinsam mit ihrer Schwester Emmy zu einer großen Amerika-Reise aufbricht, um ausgewanderte Verwandte zu besuchen. New York, St. Louis, Moorefield und texanische Städte wie Marshall, Fort Worth, Plainview, Lubbock, Abilene und Guion sind die Stationen. Die für diese Route ursächliche Familiengeschichte ist komplizierter als die der Tenenbaums und führt zu privaten Amerika-Bildern, die zeitgeschichtlich kaum vielfältiger gesättigt sein könnten. Münters Vater stammte aus Herford/Westfalen, die Mutter aus der fränkisch-hessischen Provinz. Er war 1847 von seinem Vater, einem königlichen Beamten, wegen seiner Parteinahme für die revolutionären Kräfte des Vormärz auf ein Schiff nach Amerika verfrachtet worden; sie, geborene Scheuber und einer Schreinerfamilie entstammend, hatte bereits ihre Kindheit dort verbracht. Die beiden heiraten 1857 in Savannah/Tennessee, bevor sie 1864 nach Deutschland zurückkehren, zuerst nach Berlin, wo der Vater eine Zahnarztpraxis eröffnet und die Kinder geboren werden, dann nach Herford. Weite Zweige der Familie waren in Amerika geblieben, buchstäblich Cowboys geworden. 1898, vier Jahre bevor Gabriele Münter Kandinskys Schülerin und Geliebte wird, bekommt sie eine Bull's Eye Boxkamera von Eastman Kodak geschenkt. Dieser frühen Kompaktkamera (war der Rollfilm verschossen, schickte man den ganzen Apparat an die Eastman Dry Plate and Film Company und bekam - "You press the button, we do the rest" - die entwickelten Fotos und eine neu geladene Kamera zurück) verdankt eine großartige Ausstellung im Lenbachhaus Bilder wie aus einem mythologisch verschobenen Early-Cinema-Western, der sich schon wieder fremd geworden ist.



Samstag, Januar 06, 2007
8.10.1948 - 1.12.2006

Chris-tine Dar-bon, Chris-tine Dar-bon, Chris-tine Dar-bon, Chris-tine Dar-bon, Chris-tine Dar-bon, Chris-tine Dar-bon.

Fa-bienne Ta-bard, Fa-bienne Ta-bard, Fa-bienne Ta-bard, Fa-bienne Ta-bard, Fa-bienne Ta-bard, Fa-bienne Ta-bard.

An-toine Doi-nel, An-toine Doi-nel, An-toine Doi-nel, An-toine Doi-nel, An-toine Doi-nel, An-toine Doi-nel.

Léaud/Doinel mit erhobenem Zeigefinger vor dem Badezimmerspiegel. Durch die fortwährende Wiederholung der drei Namen versucht er herauszufinden, welche der beiden Frauen die richtige für ihn ist: "Baisers volés", François Truffaut, 1968.
Christine Darbon wird dann Christine Doinel, in "Domicile conjugale" (1970) wohnen die beiden zusammen, in "L'amour en fuite" (1979) lassen sie sich scheiden.

Claude Jade, die in den drei Doinel-Filmen Antoines Freundin, Frau und Ex-Frau spielte, ist am 1. Dezember 2006 gestorben.